Bargeldlos ins Wochenende

Das Bezirksamt Wandsbek verweigert einer alten Dame ihr Sozialgeld, weil sie keine Nebenkostenabrechnung vorlegen kann. Die Behörde spricht von einem Missverständnis

Dass die Hamburger Behörden sich nur begrenzt als Dienstleister ihrer so genannten Kunden sehen, zeigt ein weiteres Vorkommnis, das gestern das Hamburger Abendblatt aufdeckte: Die für Hartz IV-Empfänger zuständige team.arbeit.hamburg hat in einer Dienstanweisung von ihren Mitarbeitern verlangt, ALG II-Empfängern die Information vorzuenthalten, dass es ab Juli eine HVV-Sozialkarte geben wird. „Um den Personenkreis der Berechtigten (...) so gering wie möglich zu halten“, heißt es zur Begründung, solle in Absprache mit dem Hamburger Verkehrsverbund (HVV) „keine Werbung“ für die Sozialkarte betrieben werden. Das bedeutet auch, dass sie in der Behörde nicht offen ausgelegt werden soll. „Auf Nachfrage“, heißt es abschließend in der Dienstanweisung, sei das verbilligte Ticket anspruchsberechtigten Personen aber natürlich auszustellen. Nach der Anfrage der Zeitung soll die Anweisung zurückgezogen worden sein.  ee

Von Elke Spanner

Sonja Fessel beteuert, dass das Bezirksamt Wandsbek, für das sie spricht, „natürlich niemanden in eine Notlage schicken will“. Offenbar hat das dortige Sozialamt das trotzdem getan: Dem „Mieterverein zu Hamburg“ zufolge bekommt die 71-jährige Klara N. kein Sozialgeld mehr, weil sie ein angefordertes Schriftstück nicht vorzulegen vermag. Seit Anfang Juni hat die Rentnerin kein Geld mehr bekommen. „Die arme Frau hat nicht mal mehr etwas zu essen“, sagt Mieterberaterin Andrea Schneider.

Seit 1979 lebt Klara N. in ihrer Wohnung in Barmbek. Seither hat sie Jahr für Jahr die gleiche Miete gezahlt – und noch nie eine Nebenkostenabrechnung bekommen, aus der sich deren Zusammensetzung ergibt. Das war für sie auch nie ein Problem, im Gegenteil: „Würde der Vermieter alle Kosten einzeln auflisten, hätte sie längst eine Mieterhöhung bekommen müssen“, sagt Schneider.

Zum Problem wurde das für die alte Dame erst, als im Bezirksamt die Sachbearbeiterin wechselte, die die Akte von Klara N. zu bearbeiten hat. Die neue Sachbearbeiterin verlangte von ihr plötzlich, eine Nebenkostenabrechnung vorzulegen, damit ihre tatsächlichen Kosten überprüft werden könnten. Daraufhin schrieb Klara N. ihren Vermieter mit der Bitte an, ihr zu bestätigen, dass es eine solche jährliche Kostenauflistung nicht gibt. Der Vermieter reagierte nicht. Wohl aber das Wandsbeker Sozialamt: Das behielt die fällige Sozialhilfe ein.

Der „Mieterverein zu Hamburg“ spricht von einer „skandalösen Behandlung einer finanzschwachen Mieterin“. Beraterin Schneider weist darauf hin, dass das Bezirksamt sogar davon profitiere, dass der Vermieter von Klara N. die anfallenden Kosten nicht akribisch aufliste. Zweifellos würde er die seit 1979 unveränderte Miete dann anheben. Schneider: „Dann müsste das Amt noch zusätzliche Kosten übernehmen.“

Die Aufforderung des Mietervereins, Klara N. umgehend das Geld auszuzahlen, blieb nach Auskunft von Schneider unbeantwortet. „Einer weiteren Ignoranz der Behörde“, kündigte Schneider an, „würde der Mieterverein mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde beantworten“. Der Mieterverein hat der alten Dame inzwischen selbst mit etwas Bargeld ausgeholfen. „Die arme Frau hatte nicht einmal die zehn Euro Praxisgebühr für einen dringenden Arzttermin.“

Mit diesem Fall konfrontiert, zeigte sich selbst die Sprecherin des Bezirksamtes betroffen. „Hier sitzt niemand, der andere in eine Notlage bringen will“, sagte Sonja Fessel. „Mittellos darf niemand sein.“ Zum konkreten Fall von Klara N. will sie aus Datenschutzgründen nichts sagen. Die Notlage der alten Dame kann sie sich nur mit einem „Missverständnis“ erklären. Allerdings sieht sie nicht ihre Behörde, sondern die alte Frau in der Pflicht, dieses aufzuklären: „Ich kann ihr nur raten, noch einmal persönlich vorbeizukommen, um ihren Fall zu besprechen.“

Ehe das möglich ist, hat Klara N. zunächst das Wochenende zu überstehen.