Noch 87 Kurven bis Obaba

Am Dienstag beginnt zum dritten Mal das Iberoamerikanische Filmfest im Abaton-Kino mit der Premiere von „Obaba“. Einen Monat lang sind Spielfilme, die im Laufe des Jahres ins Kino kommen, als Vorpremiere zu sehen

Das Abaton nutzt seine guten Kontakte zu Verleihern und zeigt in Kooperation mit der Iberoamerikanischen Konsulargruppe in Hamburg auf dem 3. Iberoamerikanischen Filmfest vom 12. Juni bis zum 13. Juli neue Spielfilme aus Argentinien, Brasilien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Mexiko und Spanien. Die Filme, die im Sommer oder Herbst dieses Jahres ins Kino kommen, laufen auf dem Filmfest als Vorpremieren – im spanischen Originalton mit meist deutschen Untertiteln.

Ein besonderes Highlight ist dabei der mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm „Das Leben des José Gutierrez“. José Antonio Gutierrez hatte sich zur US-Army gemeldet, um so ein Anrecht auf die Einwanderung in die USA zu erlangen: Kampf als Weg, ein Teil der Nation zu werden. Lange war Gutierrez indes nicht US-Bürger. Er war der erste tote Soldat auf amerikanischer Seite, der im dritten Irakkrieg im Gefecht gefallen ist. Der Film erzählt seine bewegende Lebensgeschichte: Aufgewachsen im Elend auf der Straße in Guatemala, ohne Papiere in die USA eingewandert, wo er schließlich als Held der Nation gestorben ist. Zur Vorführung wird die Cutterin des Films, Ursula Höf, zu Gast sein.

Schon bald ins reguläre Kinoprogramm kommt „Azuloscurocasinegro“ („Dunkelblaufastschwarz“) von Daniel Sánchez Arévalo. Der Film, ein sensibles Portrait über ein spätes Erwachsenwerden, hat dieses Jahr drei der begehrten spanischen Filmpreise, Goyas, gewonnen. Jorge, Mitte 20, sucht seinen Platz im Leben, im Dialog mit seinem inhaftierten Bruder Antonio. Der ist zeugungsunfähig und möchte, dass Jorge mit seiner Freundin Paula schläft, damit sie ein Kind bekommen kann. Ihre Beziehungen untereinander entwickeln sich in den Dialogen vor der Kamera.

Der Eröffnungsfilm kommt auch aus Spanien: „Obaba“ von Montxo Armendáriz. Obaba ist ein fiktives Dorf in den bewaldeten Bergen der Vorpyrenäen im nordspanischen Baskenland. Das typische Bergpanorama, die engen Schluchten, Flüsse, die vom vielen Regen sattgrüne Vegetation, und mittendrin das verwinkelte, an die Hänge gebaute Obaba, mit den unverputzten Häusern aus grob behauenem Naturstein und Vorgärten voller Hortensien – all dies wird in den malerischen Bildern vom Kameramann Javier Aguirresarobe sichtbar.

Auf den ersten Bildern ist aber zuerst Lourdes Santis zu sehen, eine 25-jährige Filmstudentin, die in ihre Videokamera hinein über sich selbst spricht, wie sie sich verändert hat durch ihre Reise nach Obaba: „Ich studierte seit 3 Jahren Film und alles schien klar. Das ist jetzt nicht mehr so.“ Für ein Wochenende fuhr sie mit einer Videokamera in die Berge, um Obaba zu porträtieren. Auf der nächtlichen Straße steht plötzlich ein älterer, zerfurchter Mann neben seinem Auto, in der Hand eine Eidechse. „Wie weit ist es nach Obaba?“, fragt Lourdes. „Noch 87 Kurven“, antwortet er. Später wird sie erfahren, dass viele Leute in Obaba gern alles zählen. Das kleine Dorf stellt sich bald als ein Ort heraus, wo alle etwas zu erzählen haben. In allen Geschichten, die Lourdes während ihres Besuchs erzählt werden, geht es dabei um persönliche Sehnsüchte, Leiden, Konflikte und Hoffnungen. Oft sind es geheimnisvolle, skurrile Geschichten, mal heiter, mal melancholisch. Wie die von Begoña, die sagt, dass man sich nicht ins hohe Gras schlafen legen darf, weil sonst Eidechsen durchs Ohr in den Kopf kommen können und das Gehirn auffressen.

„Obaba“ ist eine gelungene Verfilmung eines Klassikers der neuen baskischsprachigen Literatur: „Obabakoak oder das Gänsespiel“ von Bernardo Atxaga. Ein Buch voller famos fabulierender Kurzgeschichten im Stile eines magischen Realismus. Regisseur Montxo Armendáriz ist es gelungen, die im Buch eigenständigen Kurzgeschichten mit kleinen Querverbindungen zu einem Ganzen zu verweben, einem dörflichen Mikrokosmos.GASTON KIRSCHE

Festival von Di, 12. 6. bis Fr, 13. 7.; Alle Filme und Termine unter www.abaton.de . Premiere „Obaba“ (mit Darsteller Peter Lohmeyer und Produzent Michael Eckelt): Sa, 12. 6., 20 Uhr, Abaton, Allende-Platz 3. “Obaba“ läuft ab 21. Juni im regulären Abaton-Programm. “Dunkelblaufastschwarz“ läuft ab 21. 6., 21 Uhr im 3001