„Die Polizei tut mir inzwischen leid“

Ingeborg Breidbach wird bald 79 Jahre alt. Ihr schönstes Geburtstagsgeschenk sind Unterschriften für das NPD-Verbot. Die sammelt sie. 1946 war sie aus humanistischen Gründen, wie sie sagt, der KPD beigetreten. Wir fragten sie nach den Motiven ihres Engagements und ihrer politischen Biografie

Frau Breidbach, wie viele Unterschriften wollen Sie zu Ihrem 79-sten Geburtstag Ende Juni zusammen haben?

Ingeborg Breidbach: Na, das weiß ich gar nicht. Insgesamt haben wir jetzt zweitausendneunhundertachtundfünfzig in Bremen.

Und wie viele kommen in den kommenden zwei Wochen hinzu?

Vielleicht 200.

Warum sammeln Sie?

Ich bin davon überzeugt, dass die NPD und alle verbundenen Organisationen, die DVU gehört dazu, auch die Kameradschaften, verfassungswidrig sind. Sie sind antidemokratisch und rassistisch.

Man kann ja nicht die Menschen verbieten, nur die Organisation – haben Sie nicht Sorgen, dass die dann einfach neue Gruppen bilden?

Sogar die große Koalition in Mecklenburg-Vorpommern hat die Bundesregierung aufgefordert, ein neues Verbotsverfahren anzustrengen. Der Innenminister von Sachsen-Anhalt hat darauf hingewiesen, dass neue Tatsachen ein Verbotsverfahren rechtfertigen. In den Parlamenten bekommen sie staatliches Geld, um damit gegen die Verfassung zu polemisieren. Der Innensenator von Berlin hat erklärt, wir brauchen keine V-Leute, um die Verfassungswidrigkeit der NPD nachzuweisen – das machen die mit ihren öffentlichen Auftritten selbst. Deshalb hat die VVN den Aufruf gestartet, Unterschriften zu sammeln, die sollen am Tag der Reichspogromnacht am 9. 11. 2007 der Bundesregierung übergeben werden oder dem Innenminister – das wäre Herr Schäuble. Um Gottes Willen! Ausgerechnet der. Bis heute hat der Bundesvorstand der VVN schon über 50.000 Unterschriften. Die kriegen einen Haufen Gelder und stellen sich im Parlament hin, gegen unsere demokratische Ordnung, greifen Ausländer und Migranten an und kriegen dafür auch noch Fraktionsgelder. Das ist doch schrecklich. Und die Polizei tut mir inzwischen leid.

Wann haben Sie zum ersten Mal in Ihrem langen Leben Unterschriften gesammelt? Und wogegen?

Gegen die Atombewaffnung, in den 50er Jahren. Ich bin seit 1946 politisch aktiv.

Warum gerade 1946? Was war da?

Ich war damals gerade 18 Jahre alt, kriegte keine Lehrstelle. Durch einen Bekannten, der Antifaschist war, bin ich dann beim Arbeitsamt eingestellt worden. Das war hier in der Baumwollbörse. Alle Bremer mussten registriert werden, weil die Nazis alle Unterlagen vernichtet hatten.

Was haben Sie damals politisch gemacht?

Ich bin 1946 Mitglied der KPD geworden, ich bin aber heute nicht mehr dabei.

Über Ihren Mann Herbert Breidbach?

Nein. Mein zukünftiger Mann war noch in Kriegsgefangenschaft, der kam erst 1947 zurück. Wir haben uns in der Jugendabteilung der KPD kennengelernt und haben dann 1951 geheiratet.

Mit den Klöckner-Stahlwerken haben Sie erst durch Ihren Sohn, der dort Betriebsratsvorsitzender war, zu tun gehabt?

Ja. Mein Mann hatte damals in der Abbruchfirma auf dem Klöckner-Gelände gearbeitet. Michael ist da angestellt worden und wurde nach kurzer Zeit Jugendvertreter.

Worum ging es bei Ihrer ersten Unterschriftensammlung gegen die Atombewaffnung?

Das kam durch die Partei. Die Partei hatte dagegen argumentiert, ich habe unheimlich viel Kleinarbeit gemacht, immer schon.

Sie waren Hausfrau, haben ihre beiden Kinder erzogen und hatten daher viel Zeit für die Politik?

Ja. Sechs Jahre lang war ich auch Schulelternsprecherin, im Zentralen Elternbeirat. Und in der Fluglärmvereinigung.

War die Bevölkerung in den 50er Jahren aufgeschlossener, wenn Sie mit den Unterschriftenzetteln gegen die Atombewaffnung kamen, als heute beim NPD-Verbot?

Heute sind sie offener. Es gibt eine breite Zustimmung. Obwohl damals Leute wie Henning Scherf engagiert waren, er konnte sogar seinen Ortsverein in der Neustadt für einen guten Beschluss gegen die Atombewaffnung gewinnen, aber in der SPD hat er das nicht durchgesetzt. Ich habe auch sehr viele Unterschriften gegen den Ausbau des Flughafens gesammelt.

Wann war das?

1968, 1969. Damals hatte der Senator Borttscheller ...

... Georg, der Vater des Innensenators Ralf Borttscheller?

Ja, klar. Der hat gesagt: Da kann man ruhig wohnen, das wird nicht so laut. Wir hatten große öffentliche Versammlungen dagegen, auf beiden Seiten der Landebahn – in Huchting und auch in Kattenturm.

Sie waren auch 1956 Mitglied der KPD. Ist Ihnen das nicht komisch, wenn Sie jetzt für das Verbot einer anderen Partei sind? Sie haben das KPD-Verbot doch damals selbst erlebt.

Das ist ein himmelweiter Unterschied. Wir waren im Grunde genommen nicht gegen das Grundgesetz. Die treten doch gegen Menschen auf, die ihnen nicht passen.

Sie wissen aber auch aus eigener Erfahrung: Die aktiven Mitglieder organisieren sich neu.

Das würde man dann auch merken, wenn die weitermachen.

Sie haben damals, 1956, auch weitergemacht.

Ja, das ist aber schwierig, das kann ich Ihnen sagen. Sie haben keine Möglichkeit, öffentlich aufzutreten. Was mich auch ärgert: Jedes Wochenende demonstrieren die und unsere Polizisten müssen die schützen - und wollen das im Grunde nicht mehr. Der Bremer Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Horst Göbel, hat unseren Aufruf auch unterschrieben.

Bei der DKP sind Sie nicht mehr, haben Sie gesagt? Aus Überzeugung?

Ich will Ihnen das erzählen, aber das schreiben Sie bitte nicht. (...)

Waren Ihre Eltern vor der Nazizeit auch in der KPD gewesen?

Nein. Mein Vater war überhaupt nicht politisch.

Wie sind Sie denn 1946 darauf gekommen, sich den Kommunisten anzuschließen?

Ich bin ein humanistischer Typ. Wir hatten in Oberneuland einen Genossen, den lernte ich kennen und der hat mich auf diese menschliche Linie angesprochen. Ich hatte keine Arbeit, da hat der gesagt: Wir brauchen im Arbeitsamt Leute, die keine Nazivergangenheit haben. Und so bin ich ins Arbeitsamt gekommen. Da habe ich Kollegen kennengelernt, die auch links angehaucht waren.

Interview: Klaus Wolschner