Von Künstlergärten und Bibelblumen

Von doppelreihigen Endlos-Alleen, abgezirkelten Barockparks und Apothekergärten zeugt der soeben erschienene Reiseführer „Gartenhorizonte“. Er bietet erfrischende, fundierte Porträts historischer Gärten in Niedersachsen

Natürlich, man kann es sich denken. Aber macht man sich wirklich immer bewusst, dass auch Gartengestaltung sehr plastisch wirtschaftliche Entwicklungen, soziale Reformen und die Demokratisierung der Gesellschaft spiegelt?

Der soeben erschienene Reiseführer „Gartenhorizonte“, der 52 historischen Gärten zwischen Aller, Elbe und Weser gewidmet ist, lässt sich als Impuls zum historisch-ästhetischen Parcours durch Niedersachsen lesen. Exakt zeichnet er im „Prolog“ Zusammenhänge zwischen Historie und Gartengestaltung auf und plädiert eindringlich für den Erhalt der teils erst in den letzten Jahren restaurierten Gartenanlagen.

Vom mittelalterlichen Kloster- über den Renaissance- bis zum Barockgarten und zu liberal-englischer Landschaftsarchitektur reichen die mit nummerierten Karten und Farbfotos illustrierten Texte des handlichen, systematischen Bandes. Und abgesehen von den konkreten Anfahrtswegen bietet er alle Ingrediens für eine individuell zusammenzustellende Sommerroute. Kurze Einführungen in die Historie des jeweiligen Gartens sowie eine Analyse der Anlage bieten die zugehörigen Texte – und das nicht nur anhand so prominenter Beispiele wie des Worpsweder Barkenhoffs mit seltenem Jugendstil-Garten, das ab 1895 dem Maler Heinrich Vogeler gehörte und auf etlichen Gemälden verewigt ist.

Auch die Gärten der heute noch genutzten Lüneburger Damenklöster – Lüne und Walsrode etwa – porträtiert der Band. Wobei nicht nur bemerkenswert ist, dass die Damen nur noch kleine Parzellen der Gärten nutzen, sondern dass überdies die Äbtissin hiervon die jeweils größte besitzt. Auch der barocke Apothekergarten in Rotenburg/Wümme – kleinteilig, symmetrisch, barock – ist hier zu finden. Und wer macht sich schon bewusst, dass Pfarrgärten ursprünglich nicht als Idyll gedacht waren, sondern Ausdruck der Tatsache, dass die bis Ende des 19. Jahrhunderts in Naturalien entlohnten Pfarrer auf Selbstversorgung angewiesen waren?

Wer weiß andererseits, dass der Französische Garten in Celle die älteste erhaltene barocke Anlage der Region ist und mit seiner doppelreihigen Lindenallee ein echtes Unikat?

Wolfsburg wiederum bietet starke Kontraste: Fast in Sichtweite liegen der barocke Schlosspark und der auf einer alten Steinkohle-Lagerfläche entstandene, präzis-pragmatische Park, der einer Autostadt vielleicht ganz gut zu Gesicht steht.

Dass der Bremer Bürgerpark Ausdruck der mit Industrialisierung und Verstädterung keimenden Idee war, Parks für die Massen zugänglich zu machen, mag man noch vermuten. Wenig bekannt aber ist, dass der ebenfalls Bremische Park „Höpkens Ruh“ seinen Charme aus der Tatsache zieht, dass er 90 Meter breit, aber fast einen Kilometer lang ist. Wesentlicher Bestandteil: natürlich Alleen.

Künstlerisch eindrucksvollste Gartenanlage der Gegend allerdings ist – neben der aus Natur und Skulptur komponierten Kunststätte Bossard in Lüllau – der Horstedter Bibelgarten: Anhand eines aus 13 Stationen bestehenden Parcours zeichnet er biblische Geschichte von der Schöpfung bis zu Auferstehung und Pfingstwunder nach. Wie er das macht? Sehr einfach – anhand in der Bibel vorkommender Pflanzen und Symbole. Außerdem gibt’s zu jeder Pflanze eine Bibelstelle. Ein philosophisch-klösterlicher Garten der Moderne sozusagen.

PETRA SCHELLEN

Stefanie Hahn: Gartenhorizonte – Historische Gärten zwischen Aller, Elbe und Weser. L & H Verlag, Berlin/Hamburg 2007, 160 S., 14,80 Euro