BERNWARD JANZING ÜBER DEN NEUEN NETZENTWICKLUNGSPLAN
: Lange Leitung

Alle Jahre wieder steht ein neuer Netzentwicklungsplan ins Haus. Dieser legt auf Basis der neuesten Zahlen und Prognosen dar, wo aus Sicht der Stromwirtschaft neue Leitungen vonnöten sind.

Grundsätzlich ein sinnvolles Vorgehen: Der Umbau der Stromversorgung in Deutschland ist ein fortlaufender Prozess, der ständig nachjustiert werden muss. Schließlich kann heute niemand im Detail sagen, wie die Stromwirtschaft mit all ihren Erzeugern, Verbrauchern, Speichern und Netzen im Jahr 2030 am sinnvollsten aussieht.

Aber die Politik sollte versuchen, dem einen Rahmen zu geben. Bei den erneuerbaren Energien hat sie inzwischen ziemlich genau definiert, wie diese sich entwickeln sollen: Das neue EEG gibt bei der Windkraft an Land – wie auch beim Solarstrom – einen „Korridor“ des jährlichen Zubaus von jeweils 2.400 bis 2.600 Megawatt vor. Damit lässt sich’s planen.

Bei der Kohleverstromung hingegen stochern die Netzplaner völlig im Dunkeln. Klar ist nur, dass die jetzige Situation ziemlich absurd ist: In Deutschland laufen Kohlekraftwerke, die niemand mehr benötigt. Also wird die Energie in immer größeren Mengen exportiert, obwohl die Preise ruinös sind. Viele Kohlekraftwerke laufen nur noch, weil die Betreiber hoffen, einen längeren Atem zu haben als ihre Mitbewerber.

Betriebswirtschaftlich ist das auf Dauer fatal. Dabei lässt sich absehen, dass die Kohleverstromung hierzulande zurückgehen wird (und sie muss es nebenbei bemerkt auch aus Gründen des Klimaschutzes). Doch niemand weiß, wie schnell die Kohle weichen wird; auch weil die Politik sich bisher scheut, für die Kohle – oder vielmehr für ihr Ende – so einen „Korridor“ vorzugeben. Also planen die Netzbetreiber munter weiter. Leitungen, deren Sinn fraglich ist.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 8