taz-serie „wie retten sie die welt?“ letzte folge: ingeborg junge-reyer, senatorin
: „Ein Mensch braucht Freunde“

Auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm trafen sich die Mächtigen der Welt, um zu besprechen, wie es mit unserer Erde weitergehen soll. Antworten haben sie keine gefunden. Sie brauchen Nachhilfe. „Wie retten Sie die Welt?“, fragte die taz anlässlich des Gipfels in den vergangenen Wochen interessante Menschen aus Berlin.

„Ich bin selbstverständlich nicht so überheblich zu glauben, ich könne die Welt retten. Und ich habe auch lange überlegt, was der Schlüssel zur Frage ist, wie rette ich die Welt. Ich denke, Respekt ist der Schlüssel. Respekt und Verantwortung. Jeder ist verantwortlich für sein eigenes Verhalten. Er ist verantwortlich für sein Verhalten gegenüber seiner Umwelt und gegenüber anderen Menschen. Die Bereitschaft zu verantwortlichem Verhalten gilt auch da, wo es um Menschen geht, mit denen man in Beziehungen und im Alltag gar nichts zu tun hat. Und: Diese Bereitschaft zur Verantwortung muss konkret werden – sowohl in der Politik als auch im persönlichen Bereich.

Ein ganz privates Beispiel aus meinem Leben: Ich engagiere mich seit vielen Jahren für die Entwicklung der Chancen von Menschen auf dem Land in Nicaragua. Ich bin noch aus meiner Zeit als Stadträtin in Kreuzberg Mitglied des Vereins zur Förderung der Partnerschaft zwischen Kreuzberg und San Rafael del Sur in Nicaragua. Ich unterstütze den Verein, der dort Wasserleitungen und Schulen baut, Saatgut verteilt und solche Dinge macht. Und dann haben mein Mann und ich auch Patenschaften für jeweils ein Kind übernommen. Es sind keine Patenschaften, die ich mit persönlicher Zuwendung ausfüllen kann. Da würde ich mich übernehmen. Aber wir wissen etwas über die Kinder, und wir wollen durch unsere Unterstützung nicht nur die Kinder selbst, sondern auch die Nachbarschaft stützen. Das ist ein bescheidener Beitrag, aber ein persönlicher, der zeigt, was ich damit meine, Verantwortung zu übernehmen.

Verantwortung ist auch die treibende Kraft meines politischen Denkens. Politik muss immer das Ziel haben, Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Chancen und Fähigkeiten zu entwickeln. Ich will eine lebendige Stadt. Ich wünsche mir, dass Menschen da glücklich sind, wo sie leben. Auch wenn ein großer Teil meiner Arbeit aus Organisation, strategischem Denken und öffentlichen Auftritten besteht, treibt mich das Bewusstsein um, dass ich als Politikerin Verantwortung dafür trage, dass Menschen alle Chancen haben, ihre Lebensträume mit anderen zusammen zu verwirklichen.

Glück und Zufriedenheit liegt im Bewusstsein, nicht alleine existieren zu müssen und Verantwortung zu übernehmen, dass etwas besser wird. Glück mit Fun und Konsum verwechseln, das funktioniert nicht. Ich selbst komme ohnehin nicht zum Einkaufen. In meiner Wohngemeinschaft – ich lebe mit meinem Mann und einem befreundeten Paar zusammen – ist das aufgeteilt. Wir teilen uns zu viert zwei BVG-Monatskarten und nur ein Auto. Das steht meistens vor der Garage. In Berlin braucht man kein Auto. Mein Dienstwagen fährt mit Gas. Ich bin auch weder eine Schuhfetischistin noch eine Schmuckfetischistin, was man mir gerne unterstellt. Mir fällt gar nicht auf, dass mir was fehlt. Ein Mensch braucht Freunde, braucht gute Freunde, die einem lachend die Wahrheit sagen. Und die habe ich.

PROTOKOLL: WALTRAUD SCHWAB

Ingeborg Junge-Reyer, 60, Senatorin für Stadtentwicklung. Sie hat in ihrem Leben regelmäßig etwas Neues ausprobiert. Zuerst war sie Korrektorin im grafischen Bereich, später Leiterin eines Sozialamts, dann Bezirksstadträtin für Finanzen und Gesundheit. Später Staatssekretärin für Frauen und Soziales. Seit drei Jahren ist sie Senatorin. Ob sie in ein paar Jahren wieder etwas Neues machen wird, weiß sie nicht.