Der Gipfel-Streit

Evo Morales, Fußballnarr und Staatspräsident Boliviens, kämpft für das Recht aufs Kicken in dünner Höhenluft

PORTO ALEGRE taz ■ Dem Fußball verdankt Evo Morales eine bislang ungekannte Führungsrolle. Bei seiner Kampagne gegen das Ende Mai verkündete Fifa-Verbot von internationalen Spielen auf 2.500 Metern oder höher hat Boliviens sozialistischer und fußballvernarrter Indígena-Präsident nicht nur die hellhäutige Oberschicht seines Landes und rechte Kollegen aus der Region auf seiner Seite, sondern sogar die USA: Am Dienstag verabschiedete die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) einstimmig eine entsprechende Protestresolution.

„Die Fifa darf einfach nicht diesen Anschlag auf den Fußball und die Gesundheit verüben, denn Sport ist Gesundheit“, sagte Außenminister David Choquehuanca. Perus Präsident Alan García spricht von einer „eurozentrischen Entscheidung“, Michelle Bachelet aus Chile legte bei Fifa-Boss Sepp Blatter höchstpersönlich ein gutes Wort ein. Alles umsonst – noch: Die Fußballoberen aus Zürich argumentieren mit der Gesundheit der Fußballer – und „Fair Play“. Betroffen wären neben Bolivien vor allem Ecuador, Kolumbien und Peru, aber auch das Stadion in mexikanischen Toluca.

Vor einer Woche lief Morales, der schon immer mit seinen wöchentlichen Kickpartien beim Wahlvolk punkten konnte, zu Hochform auf: Auf 5.272 Meter Höhe, am rapide dahinschmelzenden Chacaltaya-Gletscher, erzielte er in einem 40-minütigen Match gleich vier Tore zum 10:3-Sieg seines Teams gegen eine Mannschaft von Astrophysikern. AP notierte: „Das Spiel musste aber mehrere Male unterbrochen werden, weil der Ball den steilen Abhang herunterrollte.“

Am Mittwoch verabschiedeten 300 PolitikerInnen und Sportfunktionäre aus sechs Andenländern in La Paz eine Zwölf-Punkte-Erklärung. Auf diesem „Höhengipfel“ wurde Morales beauftragt, beim Treffen der Südamerikanischen Fußballkonföderation am Freitag in Paraguay Lobbyarbeit zu betreiben. Bogotás Bürgermeister Lucho Garzón ist zuversichtlich: „Es wird schwer sein, offen gegen unsere Position aufzutreten.“

Wichtig wird das Treffen allemal. Denn die Fifa-Entscheidung hatte nicht der höhenerprobte Schweizer Blatter betrieben, sondern einflussreiche Funktionäre aus Brasilien und Argentinien. Flamengo-Präsident Marcio Braga feierte das Höhenverbot als „Sieg der Menschheit“ – der Traditionsklub aus Rio hatte nach einem Liberatores-Match im bolivianischen Potosí (4.067 Meter) im Februar bei der Fifa protestiert. In Argentinien war man gegen den Plan Perus, WM-Qualifikationsspiele in Cuzco (3.400 Meter) auszutragen.

Unter Medizinern ist das Fifa-Veto umstritten. Raúl Madero, der Mannschaftsarzt der argentinischen Nationalelf, beklagt, das Blut der Spieler werde wegen fehlenden Sauerstoffs sprichwörtlich sauer, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Übelkeit seien die Folge. Die Spanierin Conchita Leal sagte, an die erhöhte Herz- und Atemgeschwindigkeit in der Höhe könne man sich aber innerhalb von 24 Stunden gewöhnen. Für den Kolumbianer Alberto Martínez ist das Höhenrisiko „geringer, als wenn man bei über 32 Grad Hitze spielt“. Zwischen 1960 und 2006 seien mehr als 100 Sportler an den Folgen extremer Hitze gestorben, sagt Martínez.

Gute Chancen also für Evo Morales? Der Torjäger aus dem Andenhochland, der seine politische Laufbahn 1981 als Sportfunktionär einer Kokabauerngewerkschaft begonnen hatte, führt seinen Kampf in Wort und Tat weiter. An den „Bruder und König des Weltfußballs Pelé“ appellierte er , sich für seine „diskriminierten Brüder“ einzusetzen. Wenn es sein muss, kommt er auch ins Fifa-Hauptquartier nach Zürich: Fifa-Generalsekretär Urs Linsi jedenfalls hat ihn schon zu einem Match eingeladen. GERHARD DILGER