Libero mit Ehrgeiz gesucht

Der Berliner Sport-Club sucht auf außergewöhnliche Art nach neuen Nachwuchsstars: per Zeitungsannonce. Der Verbandsligist möchte so teure Spielermakler umgehen

Bahnt sich im Amateurfußball eine Revolution an? Es regt sich Widerstand in der Funktionärsgilde. Wenn nicht alles täuscht, wächst die Aversion unter Vereinsmeiern gegenüber Spielerberatern und -vermittlern im gleichen Maße wie der Pegel in der Vereinskasse sinkt.

Die Avantgarde im Kampf gegen die Zwischenhändler auf dem Transfermarkt kommt aus Nordrhein-Westfalen. Bei dem Oberligisten FC Gütersloh 2000 wehrte sich im Frühjahr Präsident Norbert Wöstmann gegen geschäftstüchtige Spielermakler, die nach erfolgreichen Wechselgeschäften die Rechnung präsentierten.

Statt sich mit seinen „Feindbildern“ weiterhin an einen Tisch zu setzen, annoncierte Wöstmann in der Lokalzeitung. Tenor: Ehrgeiziger Club sucht ebensolche Verstärkungen für sein Oberliga-Team. Einstellungskriterien: „Ehrgeiz, Leidenschaft und Herzblut sowie eine gewisse Siegermentalität.“ Aber bitte keine Vermittler mit Provisionsanspruch!

Gütersloh ist überall. Auch in Berlin herrscht Ebbe in den meisten Clubkassen. Dennoch dienen Berater schon Teens als heranwachsende Fußballgötter an. „Wir wollen es mal nicht übers Geld versuchen, an neue Spieler heranzukommen“, sagt Alf Fistler. Als Sportdirektor des Verbandsligisten Berliner Sport-Club fehlt dem einstigen Hertha-Profi die pekuniäre Grundausstattung, um beim Feilschen um Neuzugänge mitzuwirken. Deshalb inserierte der Club aus dem Grunewald in der Fußball-Woche – auf dass sich eine neuartige Spezies von Kickern zu einem Schnuppertraining melden möge.

„Wir möchten spezielle Charaktere in unserem Verein haben. Eine Annonce ist eine Möglichkeit, an neue Spieler zu kommen“, sagt BSC-Vorsitzender Frank Niedenhoff. Auch von der gängigen Praxis, über Freunde von Spielern Kontakt aufzunehmen zu Freunden von Spielern, die eventuell Lust hätten, zum BSC zu wechseln, hat Niedenhoff nach einem Gespräch mit seinem Sportdirektor diesmal Abstand genommen.

„Eine Zeitungsanzeige ist eine gute Gelegenheit, um Spieler zu finden, die man sonst nicht sieht und kennt“, erklärt Fistler. Der Sportchef denkt an langzeitverletzte Kicker, die den Anschluss verloren haben, es jetzt aber noch mal wissen wollen. Oder an Spieler, die beruflich stark eingespannt waren und nun wieder die Stollenschuhe schnüren möchten. Manchmal wird ein Talent durch puren Zufall entdeckt, nachdem es durch sämtliche Fahndungsraster der Scouts gefallen war. Auch Franz Beckenbauer enterte einst wie ein Phönix aus der Regionalliga-Asche mit den Bayern die Weltbühne.

Auf einen Kaiser wagt Fistler nicht zu hoffen. „Wir richten uns ganz einfach an Spieler, die sich einen Namen machen wollen auf der Bühne Verbandsliga.“ Als parallele Spielerfindungsmaßnahme wünscht sich der BSC-Sportdirektor trotzdem einen liquiden Sponsor, der den Spielern mehr bieten könnte als flammende Appelle in der Zeitung. Ein paar Euro für die Jungs zum Versüßen des Trainings wären nicht schlecht. JÜRGEN SCHULZ