Rote Welle in den USA

ERGEBNISSE Nach sechs ernüchternden Obama-Jahren kontrollieren die Republikaner seit Dienstag den Kongress und viele Staaten. Obamas Optionen für den Rest seiner Amtszeit sind begrenzt

AUS NEW YORK DOROTHEA HAHN

Für den Rest seiner Amtszeit hat Barack Obama zwei Optionen: Er kann – mittels Mobilisierung der demokratischen Basis, mit Vetos und Verfügungen – auf Konfrontation mit den Republikanern setzen. Oder er kann Kompromisse mit der republikanischen Mehrheit eingehen, die seit Dienstag beide Kammern des Kongresses und noch mehr Bundesstaaten als zuvor kontrolliert.

Genau wie im verflixten sechsten Amtsjahr von Ronald Reagan, George W. Bush und Bill Clinton haben die Halbzeitwahlen an diesem Dienstag der Opposition große landesweite Erfolge verschafft. Die RepublikanerInnen haben die Mehrheit im Senat erobert. Sie haben mindestens zehn zusätzliche Sitze im Repräsentantenhaus gewonnen und damit ihre Mehrheit dort ausgebaut. Und schließlich haben sie die GouverneurInnenposten in drei bislang demokratischen Bundesstaaten gewonnen sowie ihre heftig umkämpften Gouverneure vom rechten Rand in drei Staaten verteidigt.

In konkreten Sachfragen allerdings haben die WählerInnen gegen die republikanische rote Welle gestimmt. Sie votierten im republikanischen Arkansas und in Nebraska, in South Dakota und in Alaska mehrheitlich für eine Anhebung des Mindestlohns, sie akzeptierten bezahlte Krankentage in Massachusetts und sie öffneten sowohl in Alaska als auch in Oregon und im Hauptstadtdistrikt D. C. den Weg zur teilweisen Legalisierung von Marihuana.

Doch die rote Welle ist quer über das Land geschwappt. Selbst RepublikanerInnen, die schwierige Wahlgänge erwarteten, siegten am Dienstag deutlich. In Kentucky schaffte Mitch McConnell seine Wiederwahl (siehe Porträt rechts), ebenso der republikanische Senator Pat Roberts in Kansas. In Iowa eroberte Joni Ernst – „Mutter, Soldatin, konservativ“ – den bisherigen Demokraten-Sitz. In Colorado verlor der Demokrat Mark Udall, einer der wenigen KritikerInnen der Datenschnüffelei der NSA im US-Establishment, seinen Senatssitz. Und in North Carolina verlor die demokratische Senatorin Kay Hagan trotz einer starken sozialen Bewegung ihren Sitz an den Republikaner Thom Tillis.

„Wir fühlen uns ziemlich gut“, sagte der Vorsitzende des Republican National Committee, Reince Priebus, noch am Dienstag, als noch lange nicht alle Ergebnisse ausgezählt waren. Weitere republikanische Erfolge sind in Alaska möglich, wo bei Redaktionsschluss noch nicht ausgezählt war, sowie in Louisiana. Dort war das Ergebnis so knapp, dass eine Stichwahl stattfinden muss.

Die Strategie jener DemokratInnen, die ihre eigenen Chancen verbessern wollten, indem sie Obama versteckten, ging nirgends auf. Weder in Kentucky, wo Senatskandidatin Alison Lundergan Grimes nicht einmal verriet, ob sie für ihren Präsidenten gestimmt hat, noch in Georgia, wo Michelle Nunn im Wahlkampf sagte: „Ich habe vielleicht 45 Minuten meines Lebens mit Obama verbracht.“

Nach sechs ernüchternden Obama-Jahren ist die linke Basis – wenn überhaupt – illusionslos in die Wahllokale gegangen. Zugleich haben die RepublikanerInnen es geschafft, ihre Basis zu mobilisieren. Die Wahlbeteiligung in einzelnen Bundesstaaten, darunter Wisconsin und North Carolina, erreichte Rekordhöhen für Halbzeitwahlen.

Es waren die teuersten Halbzeitwahlen der US-Geschichte. Sie haben die Rekordsumme von beinahe 4 Milliarden Dollar verschlungen, von denen der größte Teil in private Fernsehsender geflossen ist. In den letzten Tagen des Wahlkampfs haben obskure „unabhängige“ Gruppen, deren Gelder und Führungspersonal aus großen Konzernen stammen, mit massiven Robotertelefonanrufen und anderen direkten Werbekampagnen in zahlreichen Bundesstaaten für die Kehrtwende von Trends gesorgt.

Präsident Obama lud die neuen ChefInnen von Repräsentantenhaus und Senat am Freitag ins Weiße Haus. Nichts deutet darauf hin, dass er auf ihre Unterstützung setzen kann, um RichterInnen seiner Wahl ins Oberste Gericht zu schicken und die vielfach verschobene „umfassende“ Einwanderungsreform doch noch realisieren zu können.