Opium für Gipfelstürmer

„Die Überflüssigen“ (0.00 Uhr, ZDF) zeigt engagiert ein Deutschland ohne Arbeit, gleitet aber in Sci-Fi-Paranoia ab

Fernsehopium fürs Volk, reines Heroin für die arbeitende Elite: Ein drastisches Zukunftsszenario beschert uns die Regisseurin Aleksandra Kumorek B-Movie-Drama, das heute in der Reihe „Agenda 2020“ läuft.

Im nämlichen Jahr ist die deutsche Gesellschaft hier in „Die Überflüssigen“ und „Die Produktiven“ aufgeteilt. Während der Großteil der Bevölkerung mit Soaps, Gameshows und legalisiertem Cannabisgenuss von Arbeit und Reflexion fern gehalten wird, verfügt eine immer kleinere Gruppe über Jobs und Reichtum und darf sich gelegentlich von all dem forcierten Produzieren und Konsumieren bei einem Löffelchen erlesenem Heroin entspannen.

Die junge Zoe (Jana Straulino) sucht einen Ausweg aus diesem totalitären Eskapismus: Sie hat sich für die Auswanderung nach China beworben; in dem inzwischen zur führenden Industrienation aufgestiegenen Land will sie Arbeit im Hotelgewerbe finden. Zum Abschied filmt sie ihre Freunde mit der Videokamera: Lotta zum Beispiel, die als Mätresse eines „Produktiven“ am Wohlstand teilzuhaben versucht und doch recht- und mittellos bleibt. Oder Clara, die im Verdacht steht, mit illegalen Gemüsezüchtern zusammengearbeitet zu haben und deshalb eine Arbeitstherapie als wandelnde Litfaßsäule einer Fastfoodkette absolvieren muss. Die fiktionale Verdichtung vom realen Hartz-IV-Deutschland zum Selektionsstaat ist legitim.

Hysterie gehört nun mal Sci-Fi-Geschäft, und das quasi-faschistische Überwachungssystem im retrofuturistischem Look wurde so kreativ und kostengünstig aus den Rückständen der gegenwärtigen Media-Markt-Republik zusammengezimmert, dass es eine wahre Freude ist.

Nicht ganz geglückt sind der Attac-Aktivistin und Globalisierungskritikerin Kumorek allerdings einige gesellschaftspolitische Zuspitzungen: Dass in Deutschland irgendwann Abtreibung und Sterilisation forciert werden, ist ebenso abwegig wie die Idee, dass der Wirtschaftsriese China sich im alten Europa brauchbares Menschenmaterial für seine Expansionsgelüste beschafft – in einer Szene wird die Heldin von einem kleinwüchsigen asiatischen Manager für den zukünftigen Job vermessen. Was sollen wir bloß daraus lernen? Darüber wollen wir lieber gar nicht nachdenken.

Als Abtreibungs-Rührstück und als Panikmache vor einer gelben Invasion besitzt „Die Überflüssigen“ tatsächlich gefährliche Schwachstellen. So erweist sich die Negativutopie nicht nur prognostisch zweifelhaft, sondern sogar unfreiwillig diffamierend. Darüber kann auch die plietsche Trash-Ästhetik nicht wirklich hinwegtäuschen: Hier regiert Globalisierungsparanoia der ganz groben Art. CHRISTIAN BUSS