Johann Sebastian Bach runter

BILDUNG Lehrbeauftragte der HFK haben gegen prekäre Arbeitsbedingungen demonstriert. Sie fordern eine Änderung des Bremer Hochschulgesetzes

„Meine Rente läge bei 280 Euro, obwohl meine Lehre der eines Professors in nichts nachsteht“

Peter Sabbagh (HFK Bremen)

Gestern haben Lehrbeauftragte der Hochschule für Künste (HFK) mit einem Aktionstag auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht. Im Rahmen eines bundesweiten Protesttages sammelten die Dozenten Unterschriften und forderten dauerhafte Lehrstellen. Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV), die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und die Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen (BKLM) unterstützten die Aktion.

56 Prozent des Unterrichts an der HFK geben inzwischen zeitlich befristete Lehrbeauftragte. Als Freiberufler haben sie keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaub, Mutterschutz, Krankenbeiträge und einen tarifgebundenen Lohn. Es ist die erste übergreifende Protestaktion der arbeitsrechtlich schlecht organisierten Lehrbeauftragten. Das liege daran, dass sie zumeist „im Hamsterrad der Prekarität“ gefangen wären, sagt GEW-Frau Inge Kleeman.

„Unsere Altersarmut ist vorprogrammiert“, sagt Musikwissenschaftler Peter Sabbagh, der als Lehrbeauftragter zeitweise an vier Hochschulen gleichzeitig doziert hat. „Meine Rente läge bei 280 Euro, obwohl meine Lehre der eines Professors in nichts nachsteht.“ Sabbagh hat neben der Musiktheorie auch Hochschuldidaktik studiert.

Pro Lehrstunde verdienen die Bildungstagelöhner zwischen 23,50 und 26,30 Euro. Die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts ist unbezahlt. Als Beisitzer bei einer Prüfung verdiene man sogar nur zwischen 6,14 Euro und 68 Cent, fast schon „das Niveau eines Entwicklungslandes“, so der Lehrbeauftragte Holger Müller-Hartmann. Die meisten der Bremer Hochschullehrer sind schon seit etlichen Jahren prekär beschäftigt, viele von ihnen im Umfang einer vollen Stelle.

Ausdruck verliehen die Musiker ihrem Protest mit Johann Sebastian Bach. Im Foyer der HFK spielten sie dessen Stücke – allerdings nur zu 44 Prozent, bevor sie mit einem lakonischen „für mehr ist kein Geld da“ endeten. Die Zahl entspricht der festen Belegschaft der Hochschule. Über dem Klavier im Foyer kalauerte zudem ein Transparent: „An der Hochschule für Künste Bremen gehen die Lehrbeauftragten den Bach runter.“

HFK-Rektor Herbert Grüner solidarisierte sich mit dem Protest, ebenso Studierendenvertreter, die sagten: „Es gibt zwischen Lehrbeauftragten und festangestellten Professoren keine Qualitätsunterschiede. Die Zustände sind unzumutbar.“

Ursprünglich sind Lehraufträge zur Erweiterung des Lehrangebots gedacht. In Bremen ermöglicht jedoch ein kleiner Passus im Hochschulgesetz die prekäre Massenbeschäftigung von Akademikern. Demnach sind zeitlich befristete Aufträge „zur Sicherstellung des Lehrbetriebs“ erlaubt. Die Musiklehrer fordern die Streichung des entsprechenden Abschnittes.  GJO