Reeder zum Einlenken gebracht

Gemeinsam Tarifverträge auf Billigflaggenschiffen erstritten: Die Transportarbeiter-Gewerkschaften sind zufrieden mit ihren Aktionen in sieben norddeutschen Seehäfen

VON KAI VON APPEN

Der Weltverband der Verkehrsgewerkschaften – die Internationale Transporterarbeiter Förderation (ITF) – und die ihr angeschlossene Gewerkschaft Verdi sind zufrieden mit der nordeuropäischen Aktionswoche gegen Billigflaggenschiffe in den norddeutschen Küstenhäfen. „Die Erfolge der vergangenen Woche können sich sehen lassen“, erklärt Barbara Ruthmann, ITF-Vertreterin bei Verdi.

Neun Inspektorenteams der ITF waren fünf Tage lang in den deutschen Seehäfen Bremen, Bremerhaven, Hamburg, Lübeck, Nordenham, Rostock und Saßnitz unterwegs und haben währenddessen 100 Schiffe überprüft. Zwölf neue Tarifverträge auf dem ITF-Heuer-Niveau von 1.550 Dollar – was rund 1.200 Euro entspricht – seien allein im Inspektorat Bremen abgeschossen worden. In Hamburg konnten die ITF-InspektorInnen sieben Reeder zum Abschluss von ITF-Tarifverträgen bewegen. „Erfreulich ist, dass bei der Mehrheit der Schiffe die Boykott-Warnung schon ausgereicht hat, um Reeder zum Einlenken zu bewegen“, stellt Ruthmann fest. In einem Fall in Hamburg mussten bei Verdi organisierte Hafenarbeiter ein wenig nachhelfen, indem sie die Abfertigung eines Schiffes zwei Stunden lang verweigerten. Auch in einem polnischen Hafen zwangen die Hafenarbeiter einen Hamburger Reeder, der seine Schiffe unter Billigflagge fahren lässt, die ITF-Mindest-Heuer-Marge per Kontrakt anzuerkennen.

Neben dem Abschluss von neuen Verträgen lag der Schwerpunkt der Aktion auf der Kontrolle der bestehenden Tarifverträge. „Wir prüfen zum Beispiel, ob die vereinbarten Heuern auch wirklich gezahlt werden“, erklärt Ruthmann. Wenn es notwendig sei, interveniere die ITF auch, wenn Besatzungsmitgliedern die notwendige medizinische Versorgung verwehrt werde, und sorge dafür, dass ein Arzt aufgesucht werden könne. „Selbstverständlich obliegt das der Fürsorge des Reeders“, sagt Ruthmann, „aber selbst da hapert es zum Teil.“

Die nun zu Ende gegangenen Aktionen gegen Billigflaggen sieht die ITF-Sekretärin als ein Beispiel dafür an, dass Gewerkschaften weltweit zusammenwirken können. Keine andere Branche sei so früh mit den Auswirkungen der Globalisierung konfrontiert gewesen und bekomme die Folgen so drastisch zu spüren wie die Seeschifffahrt. Heuern von 250 Euro im Monat inklusive 100 Überstunden – die leicht anfallen, weil die Seeleute ja rund um die Uhr an Bord sind – seien keine Seltenheit, so Ruthmann. Die der ITF angeschlossenen Gewerkschaften hätten einen wirkungsvollen Weg gefunden, gemeinsam für die Interessen der Seeleute und Hafenarbeiter zu streiten – und das werde seit inzwischen zwölf Jahren mit den ITF-Aktionswochen praktiziert.

Dahinter verberge sich gleichzeitig der Gedanke der Solidarität: Seeleute auf Schiffen unter Billigflaggen seien nicht in der Lage, ohne Unterstützung der Hafenarbeiter Tarifverträge zu erzwingen. Auf See verbietet das internationale Seerecht Protest- und Streikmaßnahmen, die als Meuterei gewertet werden können. Und in den Häfen haben Seeleute keine Durchsetzungskraft, weil Hafenarbeiter für das Löschen der Ladung verantwortlich sind. „Die Präsenz der ITF ist den Reedern wieder verstärkt vor Augen geführt worden“, resümiert Ruthmann. „Neue Aktionswochen sind bereits in Planung.“ Denn auf den derzeit 21.000 Seeschiffen unter Billigflaggen gelte bisher nur auf 8.200 auch der ITF-Tarifvertrag.