LITERATUR INTERPRETIEREN
: Wohl metaphorisch

Erleichterung, ich bin doch nicht so blöd, wie ich dachte

Tolles Buch. Fast bin ich traurig, dass es zu Ende ist. Ich will mehr, und weil dem so ist, lese ich alles, was sonst noch drinsteht. Viel ist es nicht mehr: Kurzbio, Klappentext. Beide Texte sind in den Buchdeckel innen geklebt; so ist das manchmal mit Büchern von der Bibliothek.

„Ergreifende Geschichte einer Sklavin“, lese ich da. Ergreifend war es, da stimme ich zu, aber Sklavin? Gab’s ’ne Sklavin im Buch? Ich hab ’n Kopf wie ’n Sieb, aber so große Löcher hat das Sieb nun doch hoffentlich nicht. Ich überlege, strenge mich richtig an, aber mir fällt immer noch keine ein. Ist wohl metaphorisch gemeint. „Ah“, denke ich und fühle mich leicht blöd und versetzt in die Zeit an der Uni, wo ich mich auch immer leicht blöd gefühlt hab, als wir Bücher analysieren mussten, ob da was Metaphorisches drinstand, und wenn, dann was und wie und warum. Ich trommele mit den Fingern auf dem Buchdeckel rum. Genau: die Hauptperson! Sklavin ihrer Gefühle bestimmt, gab ja auch ziemlich viel Liebe im Buch. Nur war die Hauptperson männlich und alle anderen auch, aber was soll’s, ist bestimmt ’ne Anspielung auf … Auf was? Ich lese den Klappentext weiter.

„Sezessionskrieg“, steht da, „Alabama“. Ich hatte ja gedacht, das Buch wär eher neuzeitlich gewesen und hätte in Frankreich gespielt, aber okay. Früher hab ich auch immer alles falsch interpretiert. Ich wende mich der Kurzbio zu, und als ich das tu, wird alles klar, schlagartig sogar. Die Autorin heißt nicht so, wie es da steht – Kurzbio, Klappentext, beides falsch eingeklebt; die gehören zu einem ganz anderen Buch! Ich bin erleichtert und doch nicht so blöd, wie ich gerade dachte. Aber dann ärgere ich mich: Hätte ich das früher doch schon gewusst! Das hätte ich mir glatt zunutze gemacht, falsche Klappentexte geklebt und dann nicht allein dagestanden mit Fehlanalysen, und Metaphern gesehen ohne Ende hätte ich auch. JOEY JUSCHKA