Viele schlechte Momente

CHAMPIONS LEAGUE Schalke 04 verliert bei Sporting Lissabon 2:4 und ist weiter auf der Suche nach der richtigen Balance. Dass selbst die Spieler ihre mangelnde Fitness beklagen, kommt erschwerend hinzu

LISSABON taz | Wenn es um die Interpretation von Fußballspielen geht, lässt sich zwischen völlig unterschiedlichen Herangehensweisen wählen. Die simpelste Methode besteht in der schlichten Betrachtung des Ergebnisses, vielleicht untermalt mit ein paar prägnanten statistischen Daten. Viele Trainer ziehen es vor, solche Fakten auszublenden und die Leistung allein anhand des Plans zu beurteilen, der vor einem Spiel entworfen wurde. Und natürlich ist es möglich, eine Partie als lose Aneinanderreihung einzelner Momente zu betrachten. Für diese dritte Variante entschied sich Roberto Di Matteo nach dem 2:4 (1:1) des FC Schalke 04 bei Sporting Lissabon. Aus gutem Grund.

Denn mit diesem Ansatz ließ sich ein ziemlich enttäuschender Auftritt der Gelsenkirchener einigermaßen erträglich darstellen. „Das zweite Tor für Sporting war sehr glücklich“, sagte der Trainer des Revierklubs beispielsweise zu dem Treffer, als Jefferson aus 18 Metern schoss und eine winzige Lücke im dichten Urwald aus Beinen im Schalker Strafraum fand, Außerdem hätten Max Meyer (36.) und Chinedu Obasi (66.) die Partie in eine andere Bahn lenken können, wenn sie ihre Großchancen genutzt hätten. „Das sind wichtige Momente in einem Spiel“, meinte Di Matteo, und auch Horst Heldt bediente sich zunächst dieser Rhetorik der Konjunktive, als er den Einbruch des Teams nach der 1:0-Führung erklären sollte.

Allerdings merkte der Manager irgendwann selbst, dass man dem Spiel so nicht gerecht werden konnte, worauf er Peer Steinbrück zitierte: „Hätte, hätte, Fahrradkette“. Denn der seriöseste Ansatz zum Verständnis dieser von Zufällen geprägten Sportart bleibt natürlich der Blick auf die Leistung der Teams. Und diese Perspektive ließ keinen anderen Schluss zu, als dass die Schalker völlig verdient verloren hatten.

Den Wortführern im Team fiel einmal mehr die Aufgabe zu, diese Wahrheit auch auszusprechen. „Wir hatten zu viele Situationen, in denen wir nur zum Mann hintraben und nicht richtig auf den Gegenspieler draufgehen“, sagte beispielsweise Benedikt Höwedes. Aus seiner Sicht mangelte es an Entschlusskraft, wobei der Kapitän auch noch eine andere Schwäche erwähnte. Ungefragt übrigens. „Es fehlt auch körperliche Frische, wir müssen schon ein bisschen was aufholen, das ist klar“, meinte er. Scheinbar ist es dem vor rund vier Wochen entlassenen Jens Keller nicht gelungen, das Team so zu präparieren, dass es die hohe Belastung gut verkraftet. „In dieser intensiven Phase“ sei die Mannschaft nicht in der Lage, „jedes Spiel über 90 Minuten zu gehen“, erklärte Höwedes.

Die Schuld allein bei Keller zu suchen, wäre natürlich falsch, viele Spieler verpassten Teile der Vorbereitung, weil sie nicht gesund waren oder verspätet ins Training einstiegen. Aber die Fitness bleibt ein Problem. Ebenso wie die Qualität des Schalker Spiels bei eigenem Ballbesitz. „Man sieht, dass wir fußballerisch nicht in der Lage sind, sehr viel Druck auf den Gegner zu machen“, sagte Klaas-Jan Huntelaar.

Zwar findet Di Matteo, seine Mannschaft habe „Fortschritte gemacht“, allerdings waren diese Fortschritte teuer erkauft. Denn die im Gegensatz zu den Bundesligaspielen leicht erhöhte Bereitschaft zum eigenen Angriff führte nicht nur zu zwei eigenen Toren. Sie wurde auch mit vier Gegentreffern und einer permanenten Unordnung rund um den eigenen Strafraum bezahlt. Schalke kommt nicht voran bei der Suche nach einer guten Balance. Eine schlichte Verschiebung der Prioritäten hin zu mehr Offensive scheint keine Lösung zu sein. Diese Erkenntnis haben sie immerhin aus Lissabon mitgebracht. DANIEL THEWELEIT