Lokführer drohen mit stehenden Zügen

Die Bahngewerkschaften kämpfen diesmal nicht nur gegen den Vorstand, sondern auch gegeneinander

BERLIN taz ■ Ab dem kommenden Monat drohen Streiks bei der Deutschen Bahn. „Wir werden in der ersten Juliwoche einen bundesweiten Streik ausrufen, wenn der Vorstand weiterhin Verhandlungen ablehnt“, sagte Gerda Seibert, Sprecherin der Gewerkschaft der Lokführer (GDL), der taz. Die Gewerkschaft fordert bis zu 31 Prozent mehr Lohn und einen eigenen Tarifvertrag. Die Bahn lehnt das bislang ab.

Auch die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA, die 7 Prozent mehr Lohn fordern, kündigten Warnstreiks an, wenn es bis zum Ende der Friedenspflicht am 30. Juni keine Annäherung gibt. Zwar beginnen die Tarifverhandlungen erst am 19. Juni. Doch noch klaffen die Positionen weit auseinander. Vor allem die Forderungen der Lokführer alarmieren den Bahnvorstand. Sie „gefährden den wirtschaftlichen Erfolg und setzen unsere Beschäftigungssicherung und Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel“, erklärte jüngst Personalvorstand Margret Suckale.

Schon heute liege das Tarifniveau bis zu 25 Prozent über dem anderer Eisenbahnverkehrsunternehmen. Immerhin verdiene ein neueingestellter Lokführer inklusive aller Zulagen rund 31.000 Euro im Jahr.

Die GDL-Sprecherin kann diese Rechnung jedoch nicht nachvollziehen. Das Einstiegsgehalt laut Tariftabelle liege bei 1.970 Euro brutto pro Monat, nach vier Jahren Tätigkeit im Konzern seien es 2.142,50 Euro. Die durchschnittlichen Zulagen lägen lediglich bei 300 bis 400 Euro. Gemessen an der Verantwortung, die Lokführer zu tragen hätten, sei dies zu wenig, sagt die GDL und fordert ein Einstiegsgehalt von 2.500 Euro, das in Fünf-Jahres-Schritten auf 2.734 Euro steigt. Wer 30 Jahre im Konzern arbeitet, soll knapp 3.000 Euro pro Monat bekommen.

Unternehmenspolitisch brisant ist die Forderung der GDL nach einem eigenen Tarifvertrag für das Fahrpersonal. Denn die Gewerkschaft hat sich aus der früheren Tarifgemeinschaft mit der größten Bahngewerkschaft Transnet und der früheren Beamtenvertretung GDBA verabschiedet.

Die GDL wirft der Transnet eine zu große Nähe zum Bahnvorstand vor. Mit den Forderungen für Zugbegleiter begibt sich die GDL, in der 75 Prozent der DB-Lokführer organisiert sind, nun auf das Terrain der anderen beiden Gewerkschaften. Dabei vertritt sie nur 25 Prozent der Zugbegleiter. Entsprechend ablehnend steht Transnet dem angestrebten Alleingang der GDL gegenüber. Die Belegschaft dürfe nicht auseinanderdividiert werden, heißt es.

So pocht die Tarifgemeinschaft weiterhin auf ihr Mandat für die Verhandlungen, die 134.000 Mitarbeiter der Bahn betreffen. Am 14. Juni wollen sich die Betriebsräte aus allen Teilen des Konzerns zu einer Konferenz in Kassel treffen und dort die Einkommenssituation der Bahnbeschäftigten diskutieren.

Und auch der Bahnvorstand will lieber weiterhin mit nur einem Verhandlungspartner über die künftigen Tarife verhandeln. Ein eigener Spartentarifvertrag sei nicht umzusetzen, erklärte Suckale. „Uns sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichermaßen wichtig.“

STEPHAN KOSCH