Das große Umsteigen

STREIK Zwei Drittel aller Fernzüge fallen wegen des Ausstands der Lokführer aus. Viele Reisende versuchen nun, sich anders zu behelfen

Das Verständnis der Bevölkerung für die Lokführer sinkt

VON RICHARD ROTHER

BERLIN taz | Wegen des Lokführerstreiks sind bei der Deutschen Bahn am Donnerstag zwei Drittel der Fernzüge ausgefallen. Der Ersatzfahrplan laufe aber weitgehend stabil, teilte das bundeseigene Mobilitätsunternehmen mit. Im Regional- und S-Bahn-Verkehr fahren je nach Region 15 bis 40 Prozent der Bahnen. Das Aufkommen der Reisenden auf den Bahnhöfen sei deutlich reduziert. Dies zeige, dass sich die Reisenden auf die Situation eingestellt haben – sie verzichten ganz offensichtlich auf Fahrten, steigen auf (Fern-)Busse um oder stehen mit anderen, die aufs Auto ausweichen, im Stau.

Die Fahrgäste müssen sich aufgrund des Streiks zwar auf Zugausfälle, Verspätungen und damit längere Reisezeiten einstellen, aber die Kunden könnten mit dem Ersatzplan ihre Reise verlässlich planen, so die Bahn. Der Güterverkehr sei stark beeinträchtigt, aber stabil. DB Schenker Rail fahre rund die Hälfte der betroffenen Aufträge. Um genügend Kapazitäten für versorgungsrelevante und zeitkritische Verkehre zu haben, seien andere Züge im Einvernehmen mit den Kunden vorsorglich nicht gefahren worden. Die Deutsche Bahn (DB) will den Streik der Lokführer mit juristischer Hilfe stoppen. Sie stellte beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Die mündliche Verhandlung sollte am Donnerstagnachmittag beginnen. Einen wirklichen Streikstopp erwarten Rechtsexperten dadurch aber nicht.

„Ich rechne nicht damit, dass die Bahn mit der Verfügung Erfolg hat, da Arbeitsgerichte in der Vergangenheit häufig das Grundrecht auf Streik bestätigt haben“, erklärte Reinhard Schütte vom Deutschen Anwaltverein am Donnerstag vor der Verhandlung beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main. Über eine Berufung könne dann das Landesarbeitsgericht als nächsthöhere Instanz voraussichtlich erst am Freitag entscheiden. Dieser Weg stünde auch der streikenden Gewerkschaft GDL im Fall einer Niederlage offen – allerdings müsste sie ihren Streik zunächst abbrechen.

Die Lokführergewerkschaft hatte am Mittwoch einen Schlichtungsvorschlag der Bahn zurückgewiesen. Die Lokführer streiken seit Mittwochnachmittag im Güterverkehr und seit Donnerstagmorgen auch im Personenverkehr. Der Streik soll im gesamten Bahnverkehr bis Montagmorgen dauern; er wäre dann der längste in der Geschichte der Deutschen Bahn.

Die Kritik am Streik hielt an. Der Chef des Deutschen Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt, sagte in einem Fernsehinterview: „Ich hätte der GDL empfohlen, sich auf eine Schlichtung einzulassen.“ Der Beamtenbund ist die Dachorganisation der Lokführergewerkschaft.

Das Verständnis der Bevölkerung für Lokführerstreiks der Gewerkschaft GDL sinkt derweil laut einer Umfrage. 51 Prozent der Befragten gaben im jüngsten ARD-Deutschlandtrend an, keine Nachsicht mit einem Lokführerstreik zu haben. Dies sei ein Anstieg von zehn Prozentpunkten gegenüber der Befragung Anfang Oktober, erklärte der WDR.