ABSCHIEDE
: Am Flughafen

Sie schreit: „ Du liebst mich überhaupt nicht!“

Menschen zum Flughafen bringen, weckt in mir immer das Fernweh. Wenn man zwischen den Check-in-Schaltern steht und all die Kofferträger und Sonnencremebepackten beobachtet, zieht es einen automatisch in die Ferne.

Die Ankommenden hingegen strahlen wenig Freude aus, zumindest die in Berlin beheimateten. Und auch die aus Spanien und Frankreich einfallenden Jugendhorden machen nicht den Eindruck, als würden sie die kommenden Wochen in Berlin genießen können, der Alkoholpegel scheint sich während des Fluges gewaltig erhöht zu haben. Während ich also die üblichen Streitigkeiten zwischen Bordpersonal und Fluggästen beobachte, frage ich mich, ob die Lösung vielleicht ein Osama-bin-Laden-Airport wäre: nur Startbahnen, keine Landerampen, so sieht mein idealer Flughafen aus.

„Hauptsache weg“ ist ein Gefühl, welches mich immer öfters beschleicht. In meiner Nähe scheint es jemandem ähnlich zu gehen, wenn auch aus anderen Gründen. Neben mir steht ein Pärchen, das noch nicht eingesehen hat, dass es mehr Vergangenheit hinter sich, als Zukunft vor sich hat. Sie ist offenbar in Schweden beheimatet, er sieht aus wie ein Berliner Geschäftsmann. Ihr fällt das Loslassen eindeutig schwerer. Immer wieder redet sie auf ihn ein, möchte feste Zusagen für sein Erscheinen in Schweden oder wenigstens einen Liebesbeweis. Der Geschäftsmann windet sich ziemlich perfekt hin und her, so perfekt, wie es eben nur Unternehmer verstehen.

Schließlich platzt ihr der Kragen, und sie schreit durch die Wartehalle: „Du liebst mich überhaupt nicht, und du wirst auch deine Frau nicht für mich verlassen!“ Plötzlich herrscht betretenes Schweigen. Nur der Businessman weiß eine passende Antwort: „Du hast recht, ich liebe dich nicht, aber nimm’s nicht so schwer, meine Frau liebe ich ja auch nicht!“ JURI STERNBURG