Hitzefrei ist nicht mehr cool

Bei drückender Wärme den Ranzen packen und nach Hause gehen – das ist für die meisten Schüler Vergangenheit. Stattdessen gibt es verkürzte Unterrichtsstunden und manchmal sogar Schonkost

VON ALKE WIERTH

34 Grad im Schatten? Kein Problem. „Wir gehen es spielerisch an“, sagt Ellen Hansen, Leiterin der Werbellinsee-Grundschule. Statt in stickigen Klassenzimmern zu schwitzen, dürfen die Schülerinnen und Schüler der Schöneberger Grundschule die Unterrichtsstunde auch mal draußen fortsetzen oder sich zwischendurch mit den Wasserschläuchen abspritzen.

Unterrichtsfrei gibt es nicht mehr, aber die Ansprüche an die Kinder werden dem Klima angepasst: „Wir schrauben das Tempo herunter“, sagt Schulleiterin Hansen. Wenn sich längere Hitzeperioden ankündigen, wird sogar das Mittagessen dem Wetter angepasst: Dann gibt’s leichte Gerichte mit extra viel Obst.

„Wenn wir die Schüler nach Hause schickten, brächte sie ja auch niemand ins Freibad“, sagt Schulleiterin Hansen. „Dann schwitzen sie nur anderswo.“ Mit der Ganztags- und der „verlässlichen Halbtagsgrundschule“ ist das klassische Hitzefrei für die Schülerinnen der Klassen 1 bis 6 sowieso Geschichte: „Die Eltern verlassen sich ja darauf, dass ihre Kinder von uns betreut werden“, sagt Christel Kottmann-Mentz, Leiterin der Aziz-Nesin-Grundschule in Kreuzberg.

In den einst als Provisorien gedachten Pavillons, in denen die Ganztagsgrundschule seit Jahren untergebracht ist, erreichen die Temperaturen derzeit auch mal 36 Grad. „Wir verkürzen die Unterrichtsstunden auf 35 Minuten“, sagt Kottmann-Mentz – der Unterricht endet um 13 Uhr. Ihn gar nicht stattfinden zu lassen, findet auch die Kreuzberger Schulleiterin falsch: „Es fallen schon zu viele Stunden aus.“

Das ist an vielen Privatschulen anders, weshalb die Schülerinnen und Schüler der privaten Kant-Grundschule bei Hitze durchaus nach Hause dürfen – wenn da jemand ist. „Wir rufen die Eltern an und informieren über unsere Internetseite“, erklärt Direktor Andreas Wegener. Wer nicht nach Hause kann, wird in der Schule betreut.

An den öffentlichen Schulen kommen nur noch SchülerInnen der 7. bis 10. Klassen in den Hitzefrei-Genuss – wenn auch erst nach der vierten oder fünften Stunde. Auch viele Oberschulen reagieren mit verkürzten Unterrichtsstunden und lockerem Unterrichtsstil auf die zunehmenden Hitzephasen. Lediglich wer es in die Oberstufe geschafft hat, muss bei jedem Wetter büffeln – denn ab der 11. Klasse ist mit Hitzefrei Schluss.