Große Worte großer Männer

SCHWARZ UND GRÜN Bundespräsident Gauck warnt vor einer Machtübernahme der SED in Ganzdeutschland. Der einstige Außenminister Fischer warnt vor Antiamerikanismus und Handlungsunfähigkeit der EU. Die Mehrheit der taz-Leser sieht das anders

■ betr.: „Präsident gibt Tipps für Sozis“, taz vom 3. 11. 14

Die Panik bei der CDU muss groß sein angesichts eines drohenden Machtverlustes in Thüringen. Dafür wird dann auch der Bundespräsident aktiviert, der in notorischer Oberlehrer-Manier mal wieder den Untergang des Abendlandes beschwört, sollte ein linker Ministerpräsident gewählt werden. Erst müssten alle Mitglieder der Linken abschwören und mindestens 1.000 mal schreiben, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei. Ganz so, als habe es die Globkes, Kiesingers und Konsorten nie gegeben, die nahtlos vom verbrecherischen Nazi-Regime in führende Positionen der CDU gewechselt sind. Ohne je ein Wort der Bedauerns oder der Scham zu äußern. Aber das waren ja auch die eigenen Konservativen, also deckt man den Mantel des Vergessens darüber.

UWE BARKOW, Frankfurt am Main

■ betr.: „Präsident gibt Tipps für Sozis“, taz vom 3. 11. 14

In der jungen Bundesrepublik gab es einige Politiker, etwa in der CDU (man denke nur an Bundespräsident Carstens), die während der Nazi-Diktatur nicht gerade durch Widerstand auf sich aufmerksam gemacht hatten. Und nun wird geradezu so getan als wolle ein Bodo Ramelow, beziehungsweise seine Parteifreunde, die DDR wieder einführen (oder zumindest rechtfertigen). Natürlich ist Vergangenheitsbewältigung wichtig, doch ist sie innerhalb einer einzigen Generation nicht vollständig zu leisten, sondern es braucht eine zweite bis dritte. Damit haben wir Deutschen doch genügend Erfahrung. Also, keine Panik auf der Titanic. WERNER ARNING, Mörfelden-Walldorf

■ betr.: „Präsident gibt Tipps für Sozis“, taz vom 3. 11. 14

Wie soll, um Willy Brandt zu zitieren, zusammenwachsen, was zusammengehört, wenn ein zu parteipolitischer Neutralität verpflichtetes Staatsoberhaupt ein Vierteljahrhundert nach der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands insinuiert, dass die Linke eine Gefahr für die Demokratie sein könnte? Rund ein Drittel der verbliebenen Mitglieder der Linken kann schon aus Altersgründen der früheren SED nicht angehört haben, die Partei ist in demokratischen Wahlen vor allem im Osten Deutschlands von vielen Wählern bestätigt worden, und ihr aus Westdeutschland stammender potenzieller Repräsentant an der Spitze der Thüringer Landesregierung wird fortan, falls er zum Ministerpräsidenten gewählt wird, mit einer Stimme Mehrheit regieren müssen, eingekeilt von SPD und Grünen und zu Kompromissen verdammt. Es ist lächerlich, wie Gauck, wohlkalkuliert, eine Gefahr herbeifantasiert. Und dabei tut er nichts anderes, als den über 265.000 Wählern der Linken in Thüringen in der ihm eigenen, demagogisch anmutenden Art und Weise die Rote Karte zu zeigen: Ihr gehört nicht dazu!

PETER MICHEL, Ravensburg

■ betr.: „Botschaft vom Feldherrenhügel“, taz vom 3. 11. 14

Es wird Zeit zu prüfen, ob sich der Herr im Schloss Bellevue im Rahmen unseres Grundgesetzes bewegt. Wie kam er denn dazu, sich öffentlich für das in großen, durchaus signifikanten Teilen unserer Bevölkerung heftig kritisierte TTIP-Abkommen starkzumachen? Dass er später zurückruderte und mehr Transparenz bei den Verhandlungen forderte, ist wohlfeil und macht die Sache auch nicht besser.

Mit seinen öffentlichen Äußerungen zu einem möglichen Regierungsbündnis in Erfurt unter Herrn Ramelow – das tangiert die Handlungsfreiheit demokratisch gewählter Parteien – überschreitet er eindeutig die Grenzen seiner Zuständigkeit. Es ist nicht seine Aufgabe, in Bereiche der Tagespolitik hineinzuga(u)ckern.

MANFRED LANG, Zirndorf

■ betr.: „Präsident gibt Tipps für Sozis“, taz vom 3. 11. 14

Herr Gauck hat ausgesprochen, dass vielen Menschen unwohl ist bei einer Regierungsübernahme durch die Linke. Das ist eine einfache Tatsachenfeststellung. Auch ihm ist unwohl, das zeugt von politischem Bewusstsein. Aus dieser Partei kommen nach wie vor Herabwürdigungen und Beleidigungen der ehemals eingemauerten Menschen. Auch wird immer wieder geäußert, dass das alles schon lange her sei. Nicht nur die ehemals eingemauerten, sondern alle Menschen, die begreifen, was es heißt, eingemauert zu sein, können die Bedenken verstehen. Die endlich in Thüringen ausgearbeitete Erklärung zum DDR-Unrecht ist erst jetzt, nach 25 Jahren, ein notwendiger und ein Mindestschritt zur ehrlichen Aufarbeitung der Vergangenheit dieser Partei. 43 Jahre SED-Herrschaft, 40 Jahre DDR, 28 Jahre Mauer, das hat diese Partei noch nicht aufgearbeitet und ihre Opfer haben das noch nicht überwinden können. KLAUS KRAUSE, Berlin

■ betr.: „Präsident gibt Tipps für Sozis“, taz vom 3. 11. 14

Die Einmischung von Gauck zur Regierungsbeteiligung der Linkspartei in Thüringen sollte man besonders kritisch daraufhin betrachten, was zwischen den Zeilen steht: nämlich eine Art Persilschein für die gegenwärtige Politik.

Gauck tut so, als käme das Unrecht der SED-Politik womöglich durch Regierungsbeteiligung der Linken zurück. Wovor hat er Angst? Vor einer durchgängigen Bespitzelung der gesamten Bevölkerung? Haben wir längst mit NSA und BND viel impertinenter, als es das SED-Regime je gekonnt hätte. Undurchsichtige Verwicklung staatlicher Geheimdienste in politische Mordtaten? Haben wir längst, siehe diverse NSU-Untersuchungsausschüsse. Tote an der Grenze, weil Menschen ein freies, gesichertes Leben suchen? Haben wir längst, nur liegt unsere Grenze im Mittelmeer.

An der Mauer gab es über 400 Tote in der gesamten Zeit zwischen 1963 und 1989. Das schaffen wir im Mittelmeer in einer „guten“ Woche. TILMAN LENSSEN-ERZ, Köln

■ betr.: „Präsident gibt Tipps für Sozis“, taz vom 3. 11. 14

Da regt sich was auf. Hochachtung für das Werk des Pfarrers Gauck. Vielleicht realisiert er aber nicht so recht, dass eine Pfarrerstochter, die nicht aufbegehrt, sondern sich in der Honecker-Jugend (FDJ) ertüchtigt und deren Lehren propagiert hat, seit gefühlten 20 Jahren Kanzlerin ist. Der Westdeutsche Ramelow hat diesbezüglich eine weiße Weste.

INGOLF BENNECKENSTEIN, Freiburg

■ betr.: „Präsident gibt Tipps für Sozis“, taz vom 3. 11. 14

Der Bundespräsident wird mit der großen Anstrengung, die ihm eine rot-rot-grüne Koalition in Thüringen verursacht, leben müssen. Als Bürger werde ich auch mit der Schwierigkeit alleingelassen, die tagtäglich erlebbare Ausuferung eines Kapitalismus verarbeiten zu müssen, dem von keiner etablierten politischen Partei beziehungsweise Koalition ernsthaft Einhalt geboten wird. Allerdings würde ich mir vom Bundespräsidenten mehr Zurückhaltung in tagespolitischen Fragestellungen wünschen.

STEPHAN LIEBERS, Düsseldorf