SWB machen Druck auf Rot-Grün

MitarbeiterInnen des lokalen Energieversorgers demonstrieren bei Koalitionsverhandlungen fürs Kohlekraftwerk. Bürgermeister Jens Böhrnsen fordert mehr Engagement der SWB für Klimaschutz ein

von KLAUS WOLSCHNER

Rund 1.000 Mitarbeiter der SWB haben sich gestern Vormittag aus ihrer Personalversammlung heraus auf den Weg zur Schlachte gemacht, wo sich SPD und Grüne zu den Koalitionsverhandlungen treffen wollten. Sie forderten mit Hinweis auf ihre Arbeitsplätze ein klares Votum der Koalitionäre zum von den SWB geplanten Kohlekraftwerk.

Am Vorabend hatten sich Delegationen der Koalitionäre mit dem SWB-Vorstand getroffen. Dort hatte Bürgermeister Jens Böhrnsen dem Vernehmen nach nur sehr allgemein an die Parole „global denken, lokal handeln“ erinnert, während der designierte grüne Senator Reinhard Loske eine lange Liste konkreter Fragen stellte. Böhrnsens Sprecher Hermann Kleen hatte zuvor mitgeteilt, der Bürgermeister erwarte mehr Engagement des Stromversorgers in Sachen Klimaschutz. In einem von der taz am 6. Juni publik gemachten internen Papier hatten die SWB gedroht, hunderte von Arbeitsplätzen seien in Gefahr.

Sowohl Böhrnsen als auch die Grünen-Spitzenkandidatin Karoline Linnert sprachen gestern zu den Demonstrierenden. Linnert wurde vom SWB-Betriebsratsvorsitzenden Ulrich Meyer angekündigt als „eine Dame von den Grünen, ich kenne sie nicht“. Sie erinnerte die Stadtwerker – unter Pfiffen – daran, dass sie auch mit ihren Familien in Bremen leben. Der Anstieg des Meeresspiegels und der Klimawandel könnten sie nicht kalt lassen. Böhrnsen unterstrich, wie wichtig der Aspekt der Arbeitsplätze für seine Politik sei und forderte die SWB auf, sich den Herausforderungen des Klimaschutzes zu stellen: „Das geplante neue Kraftwerk bringt eine dramatische Verschlechterung der CO2-Bilanz.“ Die SWB hätten noch keinen Antrag auf einen Kraftwerksbau gestellt. Wenn der vorliege, werde ihn die Landesregierung nach Recht und Gesetz prüfen. Im Koalitionsvertrag soll denn auch kein klares „Ja“ oder „Nein“ zum Kraftwerk stehen. Er soll aber Kriterien definieren, nach denen ein möglicher Bauantrag von der zuständigen Verwaltung zu bewerten ist.

Seit Bremen seine Mehrheitsanteile an die früheren Stadtwerke verkauft hat, hat das Land keinen direkten Einfluss mehr auf die Energiepolitik. Der erste „Sündenfall“, so erinnert sich der frühere Physik-Professor Cornelius Noack, passierte Anfang der 90er Jahre. Damals wurde die erste Tranche der Anteile verkauft. Das Argument war, Bremen brauche Geld, um die Arbeitsplätze bei den Stadtwerken zu retten. Noack war damals selbst Delegierter auf einem SPD-Parteitag, auf dem festgehalten wurde, dass die Stadt 50 Prozent der Anteile behalten müsse. Die wurden dann später scheibchenweise verkauft.

Anfang der 90er Jahre wurde auch der renommierte Atom-Energie-Kritiker Klaus Traube als Leiter eines Energie-Instituts nach Bremen geholt. Aber die Forschungsergebnisse des Instituts wurden in den Stadtwerken, die auf eine hohe Rendite für privaten Anteilseigner verpflichtet sind, nicht umgesetzt. „Eine vertane Chance“, so Noack. Heute leitet Wirtschaftswissenschaftler Gerd Brunekreeft von der Jacobs-University das Institut. Mit dem kritischen Gründungs-Impuls hat der nichts zu tun hat: Im aktuellen Streit fragt dort auch niemand mehr um Rat – undenkbar zu Zeiten von Klaus Traube.

Die Planungen der SWB seien nicht zukunftsorientiert, meint der BUND zur aktuellen Debatte: „In 30 Jahren wird auch die bremische Energiewelt eine andere sein.“ Deshalb würde das Kohlekraftwerk die Arbeitsplätze der SWB mittelfristig eher „gefährden als sie zu sichern“. Während die SWB auf alte Technologien setzen, gehe es nämlich um „erneuerbare Energien und pfiffige Energie-Dienstleistungen.“ Offenbar fehle es bei der SWB-Führung dafür aber an der nötigen Fantasie, so BUND-Mann Martin Rode