EU-Kommission droht Deutschland mit Klage

Brüssel: Auflagen gegen Lohndumping für ausländische Arbeitnehmer verstoßen gegen EU-Richtlinie

BRÜSSEL taz ■ Der Streit zwischen EU-Kommission, Rat und Parlament um die Dienstleistungsfreiheit geht in die nächste Runde: EU-Sozialkommissar Wladimir Spidla droht einigen Mitgliedstaaten mit Vertragsverletzungsverfahren, weil sie die Entsenderichtlinie nicht angemessen umsetzen, und setzt damit die Debatte über die „Bolkestein-Richtlinie“ aus den Jahren 2005 und 2006 fort. Damals warfen Gewerkschaften, EU-Parlamentarier und einige Mitgliedstaaten der Kommission vor, sie fördere Lohn- und Sozialdumping. Auch in Zukunft müsse es jedem Mitgliedstaat erlaubt sein, die Arbeitsverträge von Beschäftigten ausländischer Firmen streng zu prüfen.

Doch die Kommission lässt nicht locker und beharrt darauf, dass Deutschland mit seinen Auflagen, die vor allem ausländische Baufirmen treffen, gegen die Freiheit im Binnenmarkt und gegen die Entsenderichtlinie verstößt. Gewerkschaften und deutsche Politiker kontern, der von der Kommission vorgeschriebene Weg, Mindestlöhne und soziale Mindestabsicherung über die Behörden des Herkunftslandes kontrollieren zu lassen, sei nicht praktikabel.

„Die Deutschen haben völlig recht“, sagte Matthias Kirchner vom Europäischen Verband der Wanderarbeiter in der IG Metall der taz: „Das Hauptproblem der Kontrolleure ist doch, dass sie von den Arbeitern nach Strich und Faden angelogen werden. Und denen bleibt auch gar nichts anderes übrig, weil sie sonst ihren Job verlieren.“ In Polen mache sie der Unternehmer sogar für den entstandenen Schaden haftbar, sagte Kirchner. „Der Arbeiter muss wissen, dass er dann, wenn er gegenüber der deutschen Behörde auspackt, seinen Lohn bekommt.“

Deutschland verlangt derzeit, dass ein Ansprechpartner der entsendenden Firma vor Ort eine Postadresse haben muss, damit ihm amtliche Schriftstücke zugestellt werden können. Der Firmenbeauftragte muss Nachweise über die tägliche Arbeitszeit jedes Mitarbeiters und Originale der Arbeitsverträge, Lohnzettel und Zahlungsnachweise in deutscher Sprache bei sich führen. Nur so könne wirksam gegen Schwarzarbeit vorgegangen und geprüft werden, ob die in Deutschland geltenden Mindestlöhne und die sozialen Mindeststandards eingehalten werden.

„Wenn die deutschen Kontrolleure die Papiere erst bei einer Behörde im Herkunftsland anfordern müssen, ist die Firma längst über alle Berge“, glaubt die grüne EU-Abgeordnete Elisabeth Schrödter. Die EU-Kommission hat aber beim Europäischen Gerichtshof Klage eingereicht, weil sie zumindest die Auflage, dass sämtliche Papiere in deutscher Sprache vorliegen müssen, für Schikane hält. Bleibt der Gerichtshof bei seiner bisherigen Linie, hat die Kommission gute Chancen, den Prozess zu gewinnen. DANIELA WEINGÄRTNER