Militär spielt Polizei

VON FELIX LEE

Seit Monaten setzt sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für eine Ausweitung von Bundeswehreinsätzen im Inland ein. Bislang vergeblich, weil sich der Koalitionspartner SPD verweigert. In der vergangenen Woche leistete Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung jedoch Schützenhilfe, indem er während des G-8-Gipfels Tornado-Flugzeugen zum Ausspähen der Protestcamps einsetzte. Nun brodelt es in der Koalition. Als „provokativ“ und „politisch extrem unklug“ bezeichnete der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz den Einsatz. Die Bundeswehr dürfe technische Hilfe leisten, Logistik anbieten und beim Hochwasser helfen, so der SPD-Politiker. Sie dürfe aber auf keinen Fall „Zwangswirkung entfalten“ oder gar „Polizei spielen“. Derartiges ist für Wiefelspütz „gaga“.

Das Verteidigungsministerium hatte am Dienstag zunächst den Einsatz von zwei Tornados rund um Heiligendamm zugegeben. Gestern kam heraus, dass an den „Aufklärungsflügen“ im Mai und Juni sogar vier Flugzeuge beteiligt waren. Eines der Aufklärungsflugzeuge war ein Tag vor den Blockadeaktionen der Demonstranten auf 150 Meter Flughöhe auf das Protestcamp Reddelich zugerast und hat dabei Luftaufnahmen von den G-8-Gegnern gemacht.

Die Bundesregierung hat den Einsatz der Tornados gestern in der Fragestunde des Bundestags verteidigt. Personen habe man nicht ausspionieren wollen, so der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter Altmeier (CDU). Es sei lediglich darum gegangen „Manipulationen von Straßen oder im Gelände“ festzustellen. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sprach zudem von eventuellen „Erddepots für Waffen“, die man aus der Luft habe orten wollen.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der die Anfrage beim Verteidigungsministerium gestellt hatte, bezeichnete den Tiefflug als verfassungswidrig und kündigte den Gang nach Karlsruhe an. So weit will Wiefelspütz zwar nicht gehen. Grundsätzlich seien die Tornadoflüge vom Grundgesetz gedeckt, da es um zulässige Amtshilfe der Bundeswehr für die Polizei ging, sagte der SPD-Politiker. Fraglich sei jedoch der Tiefflug auf 150 Meter Höhe gewesen. Diese Arbeit hätten auch Polizeihubschrauber geleistet.

Linksfraktionschef Gregor Gysi nannte den Tornado-Einsatz indiskutabel und völlig überzogen. Mit Amtshilfe habe das nichts zu tun, kritisierte er. Die Linksfraktion hat den Bundeswehreinsatz beim G-8-Gipfel bereits kritisiert, als die Tornado-Einsätze öffentlich noch gar nicht bekannt geworden waren. Die Bundesregierung hatte vor dem Gipfel zwar versichert, sie wolle lediglich „technisch-logistische Amtshilfe“ in Aussicht stellen. Nach Angaben der Linksfraktion haben auf zahlreichen Autobahnbrücken in und um Rostock gepanzerte Militärfahrzeuge vom Typ Fennek gestanden. „Wir sind doch hier nicht im Krieg“, bemerkte Gysi, „das war ’ne Demo!“