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: HELMUT HÖGE über den sozialistischen Exilstentialismus in Mitte

„Ein Knie geht einsam durch die Welt. / Es ist ein Knie, sonst nichts! Es ist kein Baum, es ist kein Zelt!“ (Christian Morgenstern)

Der Club der polnischen Versager in der Torstraße hat seit Anfang Juni geschlossen. Im Herbst soll es im Keller vom Haus Schwarzenberg – neben den Hackeschen Höfen – mit einem mindestens dreitägigen Clubprogramm weitergehen. Der Ableger Pigasus (die polnische Plakatkunst-Galerie) hingegen bleibt in der Torstraße zurück. Es böte sich ihm eine Reduktion aufs Internet an, über das schon jetzt die meisten Plakate verkauft werden.

An sich gehören aber beide „Projekte“ zusammen: Nach dem Krieg erlangten polnische Plakate und das polnische Theater Weltruhm. Und der Club der polnischen Versager gab sich bis zur Schließung gerne als Theater. In seinen letzten Wochen fand dort das Festival der von Kornel Miglus geleiteten Filmabteilung des polnischen Kulturinstituts statt – am Ende stand eine theatralische Preisverleihung des Clubs für den besten Film: Die Auszeichung ging an Piotr Mordels Film „Die drei Farben“ – womit Schwarz, Weiß und Grau gemeint sind. Im Übrigen bestand dieser 9-minütige Festivalbeitrag zum größten Teil aus einem „Nachspann“. Darüber hinaus wurden im Club sowie im Kino Babylon Kurzfilme der podlasischen Filmkooperative „Angriff“ aus Bialystok gezeigt.

Besonders gelobt wurde deren Dokumentarfilm über fünf aus Podlasien ausgewanderte Verlierer des neuen Polen, die nun in Westdeutschland auf einem Vergnügungspark als lebende Märchenfiguren jobben. Mit demselben Thema befassten sich auch drei junge Regisseure, die zusammen den Spielfilm „Ode an die Freude“ drehten, in dem es um die Auswanderung von vier jungen Polen – aus dem Norden und aus Schlesien – nach England geht, wo seit dem EU-Beitritt Polens bereits 1,5 Millionen zum Arbeiten hinzogen.

Marcel Lozinski, Begründer einer ganzen Dokumentarfilmschule, hat sich in seinem Festivalbeitrag einen neupolnischen PR-Berater vorgenommen, der in einer Gruppe junger Leute einen Neopolitiker entdeckt hat. Den muss der Berater allerdings als einen solchen „aufbauen“ – wobei es fast egal ist, ob der, um ins Zentrum der Macht zu gelangen, eine Links- oder eine Rechtsaußenpartei als Sprungbrett nutzt. Sein Üben öffentlicher Auftritte beginnt mit der Mobilisierung von Massen – für Demonstrationen und Kampagnen, bei denen das Wofür und Wogegen ebenfalls nebensächlich ist. Das vorwiegend polnische Publikum lachte jedes Mal, wenn echte Politiker in dieser postpolitischen Posse, wie Slavoj Žižek diese Zeit nennt, auftraten.

Auf Deutsch hat Marcel Lozinskis Dokumentation den Titel: „Der Weg zum Erfolg“. 1974 hatte er den entgegengesetzten „Weg“ beschrieben – in einem Film über eine Intellektuelle, die als allein lebende Bäuerin aufs Land gezogen war. 23 Jahre später besuchte er sie noch einmal, um erneut einen Film über ihr Sein und Bewusstsein zu machen. Der erste Film hieß „Ein Besuch“, der zweite „Damit es nicht weh tut“. An einer Stelle sagt seine Protagonistin darin: „Ich habe versucht, dem Leben durch Arbeit zu entfliehen, aber das Leben hat mich doch eingeholt.“

Der Club der polnischen Versager könnte von sich behaupten, genau das Gegenteil versucht zu haben. Deswegen ist jetzt erst mal eine gewisse Besinnungspause angesagt. Zumal auch das vor über einem Jahr nach Danzig exilierte Vereinsmitglied Lopez überraschend wieder aufgetaucht ist.

In der Torstraße, wo sich um den Club der polnischen Versager und des nahen Kaffee Burger eine Reihe von Kneipen und ähnlichen Etablissements bis hin zu einem russischen Lebensmittelladen angesiedelt haben, wird der Wegzug des Versager-Clubs und vielleicht irgendwann auch der Plakatkunstgalerie als herber Verlust empfunden. Man gibt dort außerdem zu bedenken, dass schon der letzte Auszug zweier Torstraßenvergnügungs- und -verpflegungsmanager zusammen mit Wladimir Kaminer – in eine Diskothek an der Jannowitzbrücke mit dem Namen „Rodina“, was Heimat heißt – alles in allem gescheitert sei.