uwe rada über den klimawandel im kleinen
: Wie aus Baruth wieder eine Weinstadt wird

„Baruther Wein in der Chur Brandenburg ist offt dem Rheinischen gleich und wird von grossen Herren fleissig aufgekaufft.“ Das notierte der Pfarrer Johann Coler Ende des 16. Jahrhunderts. Damals konnte Brandenburg 500 Weinbauorte sein eigen nennen. Doch dann zog eine Kaltzeit übers Land, und das Bier trat seinen Siegeszug an. An die Weinbaukultur in Baruth erinnerte nur noch das alte Stadtwappen – in seiner Mitte rankten mit Trauben behangene Rebstöcke.

All das erzählen mir Karsten Wittke und Ragna Haseloff, als sie mich hinauf führen zum Baruther Mühlenberg. Es ist verdammt heiß, der Wind bläst den Sand über die Bergkuppel – der Brandenburger Klimawandel wird langsam zum Dauerzustand. Dass sich hinter dem Berg an einem Südhang auf rund 10.000 Quadratmeter Fläche ein Weinberg auftut, wundert da nur noch mäßig. „Was der Kaltzeit im 18. Jahrhundert zum Opfer fiel“, sagt Wittke, „wollen wir nun wieder beleben.“ Ein Blick über die 500 Rebstöcke zeigt: Brandenburgs Versteppung hat auch ihr Gutes.

Wittke und Haseloff, einst Berliner, haben sich Baruth inzwischen zur Heimat gemacht. Zusammen mit anderen engagierten Bewohnern haben sie das „Institut zur Entwicklung des ländlichen Kulturraums“ gegründet und allerlei Kulturprojekte initiiert. Mit der Wiederbelebung des Weinbergs, dachten sie, betreten sie einmal mehr Neuland.

Aber nichts da. „Auf die Genehmigung des Landwirtschaftsministeriums, auf dem Baruther Mühlenberg Trauben für Qualitätswein herzustellen“, erzählt Wittke, „mussten wir nicht lange warten.“ Nun gehört der Baruther Weinberg offiziell zum Weinbaugebiet Saale-Unstrut. Das Weinbauinstitut Freiburg schließlich steuerte die pilzresistenten Sorten bei, die zum Baruther Sandboden und zum ökologischen Weinbau passen: Johanniter, Helios und Solaris. „Dieser Weißweintyp“, freut sich Wittke, „wird an einen leichten und frischen Riesling erinnern.“

Je länger mich Wittke und Haseloff durch die Rebstöcke führen, die dieses Jahr erstmals angebaut wurden, desto mehr schwant mir: Die meinen es ernst. Das sind keine zugezogenen Berliner, die die Einheimischen mit unverständlichen Kulturprojekten nerven. Die glauben ans Machbare. „In diesem Jahr“, sagt Ragna Haseloff und zeigt auf die Rankhilfen, „werden die Reben einen Meter hoch wachsen. Dann werden sie abgeschnitten und ranken zur Seite. Wenn alles klappt, produziert jeder Weinstock schließlich genug Trauben für drei Flaschen.“

Hier oben, auf dem Bauther Weinberg, ist es zu spüren. Das ist ein ganz anderer Klimawandel als der, der einem allenthalben Verzicht predigt oder das Erdulden von Rapsgestank auf den Feldern. Ein Klimawandel für Genießer. Einer, der an einen leichten und frischen Riesling erinnert.

So schön konnte es sein, denke ich, als mir Wittke zum Abschied einen Flyer in die Hand drückt. Zum Ende des Monats laden die Brandenburgische Technische Universität Cottbus, die Landesregierung, aber auch der Strommulti Vattenfall zum „Ersten Brandenburger Weinbausymposium“. Schön, dass das Land die Chancen erkennt, denke ich. Aber Vattenfall? Verkaufen die ihre Kohlendioxidschleudern nun als Entwicklungshilfe für eine neue Weinbaukultur?

Auch Karsten Wittke und Ragna Haseloff werden zum Symposium nach Cottbus fahren. Um wirtschaftliche Erträge, wie es im Flyer steht, geht es ihnen in Baruth allerdings nicht. „Unser Traum ist es, die Vielfalt der Kulturlandschaft wiederherzustellen“, sagt Haseloff.

Dazu gehören nicht nur Weinberge, sondern auch Streuobstwiesen. Höhepunkt soll schließlich ein Pavillon werden, in dem der Baruther Wein – zusammen mit anderen regionalen Produkten – verkostet und verkauft werden kann. Bis es so weit ist, wird am 22. September erst mal das „Baruther Weinbergfest“ stattfinden. Ich bin mir sicher, dass ich nicht zum letzten Mal in Baruth war. UWE RADA

Das Wochenendwetter: wechselhaft, aber warm, meistens trocken. Der Tipp: Bei diesen Temperaturen schmeckt auch Rotwein ganz gut – wenn man ihn vorher kurz in den Kühlschrank gestellt hat.