Trauer am Tegeler Traumstrand

In der Badebucht „Saatwinkel“ in Tegel wird ein 23-Jähriger erstochen. Der 17-jährige Tatverdächtige und seine Clique hatten Streit angefangen, weil sie ihren Müll nicht wegräumen wollten. Am Tatort trauern die Freunde des Opfers

Sabine Jaschniok ist eine resolute Frau mit langen blonden Haaren. Seit 1990 betreibt die 40-Jährige in Saatwinkel das Bootshaus „Seeblick“ nebst Imbiss. Die angrenzende Badebucht gilt als Geheimtipp. An warmen Tagen zieht es hunderte von Menschen zu dem Sandstrand mit dem Blick auf die grünen Inseln Baumwerder und Reiswerder im Tegeler See. „Viele kommen seit Generationen hierher. Die Eltern haben die Tradition an ihre Kinder weitergegeben“, erzählt Jaschniok. „Weit weg von Kreuzberg und Neukölln ist das hier ’ne richtige kleine Idylle.“

Seit Dienstagabend hat die heile Welt von Sabine Jaschniok eine Knacks bekommen. Um 18.15 Uhr ist der 23-jährige Reinickendorfer Darius E. in der Badebucht erstochen worden. Als tatverdächtig gilt der 17-jährige Erol A., gleichfalls aus Reinickendorf. Der Jugendliche flüchtete zunächst, wurde aber noch in derselben Nacht festgenommen. Ein Ermittlungsrichter ordnete gestern gegen den Beschuldigten Untersuchungshaft an wegen dringenden Tatverdacht des Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Beteiligung an einer Schlägerei.

Nach allem, was bisher bekannt ist, haben sich Täter und Opfer nicht gekannt. Darius E. war mit Freunden baden. Erol A. gehörte zu einer Clique von zehn Jugendlichen, die laut Zeugen an dem Nachmittag mehrfach Streit mit anderen Badegästen gesucht haben. Den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge soll die Clique, als sie sich am frühen Abend auf den Heimweg machte, an der Badestelle Müll zurückgelassen haben. Von einem Badegast darauf angesprochen, habe die Gruppe zunächst diesen Mann angegriffen. Darius E. sei dem Bedrängten zu Hilfe geeilt. Als er in den Streit eingriff, sei er mit einem Klappmesser tödlich verletzt worden.

Erol A. hat sich vor dem Haftrichter bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Wegen eines anderen Vorfalls, über den bislang nicht Näheres bekannt ist, war er im April zu einer einjährigen Jugendstrafe auf Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden.

Gestern Mittag in der Badebucht: Vier Freunde des Toten sitzen in praller Sonne vor der mit kleinen Steinen in den Sand geschriebenen Inschrift: „Darius, 12. 6.“ Zwischen Kerzen liegen eine Sonnenblume und eine Lilie. Zum Reden ist den jungen Frauen und Männern nicht zumute. „Was soll man sagen, wenn man seinen besten Freund verloren hat? Dass man zum Ausländerfeind wird, obwohl man das eigentlich nicht will?“, sagt einer der Männer und zuckt hilflos mit den Achseln. Er war wie alle hier nicht dabei, als die Tat geschah. Warum, fragt sich der andere Freund, haben die Badegäste nicht eingriffen. „Die Clique hat doch schon den ganzen Nachmittag Streit gesucht.“ Darius sei kein Draufgänger gewesen, berichtet eine der Frauen. „Aber er gehörte nicht zu den Leuten, die weggucken.“

Auch früher habe es in der Badebucht immer mal Streit gegeben, sagt Sabine Jaschniok. Das bleibe nicht aus, wenn viele Menschen unterschiedlicher Herkunft auf engem Raum zusammenkämen. „Aber deshalb sticht man einen Menschen doch nicht gleich ab.“ Plutonia Plarre