Migranten geben Hoffnung auf

Das neue geänderte Zuwanderungsgesetz empfinden Einwanderer und Verbände als klares Signal der Ablehnung. Zwangsverheiratungen könne es nicht verhindern, aber sozial Schwache ausgrenzen

VON ALKE WIERTH

Die vom Bundestag beschlossenen Verschärfungen der Zuwanderungs- und Einbürgerungsgesetze stoßen in Berlin auf heftige Kritik. Gegen die Neuerung, dass Einbürgerungswillige nun auch dann ein eigenes Einkommen nachweisen müssen, wenn sie jünger als 23 Jahre sind, ist der Migrationsbeauftragte Günter Piening bereits Sturm gelaufen. Die Heraufsetzung des Alters für den Ehegattennachzug von 16 auf 18 Jahre hält er zwar für „in den Auswirkungen eher bedeutungslos“. Problematisch sei aber die Begründung, die dafür herangezogen werde: „Unter dem Deckmäntelchen, Frauen zu schützen, wird hier eine Gesetzesverschärfung vorgenommen, die nur dazu dient, feste Aufenthaltstitel zu verhindern.“

Auch bei den zugewanderten Berlinern verursachen die Gesetzesänderungen großen Unmut: „Es kommt gerade einiges zusammen: Erst die Diskussion um die Fingerabdrücke für das Ausländerzentralregister, jetzt diese Gesetzesänderungen. Das erzeugt eine beinahe depressive Stimmung unter den aus der Türkei stammenden Berlinern“, so die Einschätzung von Cem Dalaman, dem Leiter der türkischsprachigen Sendung beim RBB-Hörfunksender Radio Multikulti:

Der Migrationsbeauftragte Piening hält diesen Effekt für durchaus gewollt: „An bestimmte Zuwanderergruppen geht ganz klar das Signal: Ihr seid hier nicht gewollt.“ Das beträfe die, die in sozialen Schwierigkeiten steckten – „Jugendliche“, so Pienig, „ die eben keine olympiareife Biografie haben“. Diesen werde signalisiert: „Ihr habt euch nicht genug angestrengt, und deshalb bekommt ihr jetzt nicht die große Belohnung der Staatsbürgerschaft.“

Integrationspolitik verlaufe derzeit nach dem System von Zuckerbrot und Peitsche, meint auch Derya Ovali, die Vorsitzende des BTBTM, eines Vereins Berliner Studierender türkischer Herkunft, empört. „Die Botschaft an die Zuwanderer lautet ganz klar: Wir wollen euch hier nicht. Das Gesetz ist eine Provokation“, sagt Ovali.

Ihr Verein hat deshalb knapp 2.000 Unterschriften gegen die Gesetzesänderungen gesammelt – auch von Abgeordneten des Europaparlaments, des Bundestages und des Berliner Abgeordnetenhauses. Zum Beispiel die der Friedrichshainer SPD-Abgeordneten Canan Bayram: „Um den Tenor des neuen Gesetzes zu verstehen, muss man sich nur Paragraf 1 ansehen“, so Bayram. In der alten Version sei es da um die „Förderung von Integration“ gegangen – in der neuen dagegen suche man das Wort „Förderung“ vergeblich.

An der Berliner Zuwanderungsbilanz werden die Gesetzesänderungen dennoch eher wenig ändern. Der Zuzug von Ausländern hierher ist bereits seit Jahren rückläufig. Während 1995 noch 72.793 Personen aus dem Ausland nach Berlin kamen, waren es 2005 nur noch 46.336. Hoch ist dagegen die Zahl der Wegzüge: Knapp 30.000 Ausländer verließen im Jahr 2005 Berlin. Während im dritten Quartal des vergangenen Jahres 397 türkische Staatsbürger aus der Türkei in die deutsche Hauptstadt zogen, zogen im gleichen Zeitraum 497 in die umgekehrte Richtung. Aus dem Libanon kamen in diesem Zeitabschnitt 135 Personen nach Berlin – 100 von ihnen waren allerdings deutsche Staatsbürger. Die höchsten Zuwandererzahlen hat Berlin derzeit aus Polen (1.574 Neuzuzügler im dritten Quartal 2006) und Frankreich (253).

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