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: Pech für Pechstein

BAHNRADFAHREN Star im Eisschnelllauf wollte sich mal eben für Olympia 2012 qualifizieren

Eigentlich sollten die Radfahrer bei den deutschen Meisterschaften im Bahnradfahren im Velodrom ja die Stars sein. Aber es war eine Eisschnellläuferin, die allen ein wenig die Show stahl. Die 39-jährige Claudia Pechstein hatte kurzerhand Kufen gegen Drahtesel getauscht und angekündigt, sich mal eben für die Olympischen Spiele 2012 in London qualifizieren zu wollen.

Aber viele zweifelten an der Ernsthaftigkeit dieses Versuchs. In nur acht Wochen an die nationale Spitze? „Das kann ja gar nicht gehen“, sagte Frauenbundestrainer Thomas Liese. Die Bestätigung gab es auf der Bahn. Pechstein fuhr hinterher. Nur zwei zehnte Plätze, weit weg von olympischen Zeiten. „Insgeheim hat sie sich wohl mehr ausgerechnet“, glaubt der Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), Udo Sprenger. Also nichts mit Olympia, zumal sie nach jetzigem Stand der Dinge für die nächsten beiden Spiele wegen ihres Dopingvergehens ohnehin gesperrt wäre. Aber unabhängig davon konnte sie sich sportlich nicht empfehlen.

Trotzdem zeigte sich die fünffache Eischnelllauf-Olympiasiegerin überraschenderweise zufrieden. „Ich bin stolz auf mich. Das war keine Eintagsfliege und ist weiter ausbaufähig“, sagte sie. Eigentlich müsste sie noch zwei bis drei Jahre trainieren. Die Trainer sehen da durchaus Potenzial. Aber mit 39 Jahren? Da macht die ganze Aktion eher den Eindruck einer schön inszenierten PR-Aktion – auch wenn Pechstein androht ihr Radabenteuer fortzuführen. „Doch die Uhr tickt“, so Liese.

Die Radsportgemeinde registrierte es mit einem Grinsen. Pechsteins Herangehensweise hatte ohnehin für einigen Missmut gesorgt. „Hätte sie gesagt, sie will mal mitmachen und testen, wäre das etwas anderes gewesen“, sagte Sprintmeisterin Kristina Vogel. Sie sprach aus, was viele andere dachten. „Da kam man sich schon ein wenig verarscht vor. Wir wurden als Amateure dargestellt, als wenn der Radsport nichts ist“, beschwerte sie sich. Trotzdem hätte sich die Erfurterin gewünscht, dass Pechstein mal zu ihr gekommen wäre und zumindest Hallo gesagt hätte. So blieb die Berlinerin außen vor, hatte kaum Kontakt zu anderen Sportlern.

Dafür blickten die Medien nur auf sie. Während Miriam Welte, neben Vogel eine der beiden Olympiahoffnungen, deutschen Rekord fuhr, konzentrierten sich alle auf Pechstein. Auch deshalb war Kristina Vogel zwiegespalten. Einerseits freute sie sich über mehr mediale Aufmerksamkeit für den Bahnradsport, andererseits, erklärte sie, sei es schade, wenn sportliche Leistungen kaum registriert würden.

Ansonsten waren die Meisterschaften ein wahres Mammutspektakel. Fünf Tage kämpften Männer und Frauen auf der schnellen Bahn im Velodrom um die Titel. In einer der „besten Radsporthallen der Welt“, wie Sprenger befand. „Ein immenses Programm, was allen Beteiligten einiges abverlangt“, fuhr er fort. Vor allem von den Sportlern. Die Wettkämpfe zogen sich in die Länge, es gab erhebliche Verzögerungen im Zeitablauf.

Allein zwei Stunden musste Vogel auf ihr Finale im Keirin warten – das ist die Disziplin, in der ein Motorrad einige Runden als Tempomacher vorne wegfährt. „Das ist schon drüber. Man muss sich immer wieder neu warm machen“, klagte sie.

Seit 2005 tragen aus organisatorischen Gründen Senioren und Junioren ihre Titelkämpfe gemeinsam aus. Davon sollen vor allem die Junioren profitieren. „Für die hat das ja auch eine Vorbildfunktion“, so Sprenger. Denn die deutschen Bahnradfahrer waren bei Olympia früher immer ein Medaillengarant – was zuletzt in Peking nicht mehr so der Fall war. „Deshalb wollen wir da wieder hin“, sagt Sprenger. Und so spekuliert der BDR auch in London mit einigen Medaillen. In Berlin fand dafür der Aufgalopp statt. NICOLAS SOWA