Völkische Vergangenheiten

Im „Bamberger“ wird mit Hochdruck gearbeitet: nicht nur an der baulichen Fertigstellung als Volkshochschul-Zentrale, auch an der historischen Würdigung des jüdischen Vorbesitzers

Von HENNING BLEYL

Am Donnerstag soll es einen großen Korso geben: Mit acht Treckergespannen zieht die Volkshochschule von Schwachhausen in ihre neue Zentrale im Faulenquartier. Dort allerdings, im „Haus Bamberger“, sind die Arbeiten noch im vollen Gange. Bauherr Klaus Hübotter bezeichnet den Umbau als „schwierigste Aufgabe unserer 45-jährigen Tätigkeit“. Das Problem ist der mit 4,6 Millionen Euro sehr enge Finanzrahmen, immerhin müssen 6.000 Quadratmeter Nutzfläche, genutzt von täglich 1.000 Menschen, hergerichtet werden. Zum Vergleich: Für das Parkhaus nebenan mit seinen 430 Stellplätzen stand die dreifache Summe zur Verfügung.

Hübotter liegt der Bau am Herzen, für ihn geht es dabei auch um historische Schuld. Schließlich war das markante Gebäude ein jüdisches Kaufhaus. Seit 1986 stand das Gebäude weitgehend leer, zuletzt war sein Abriss geplant. Seinerzeit war der Bau berühmt: als Bremens erstes Kauf- und Hochhaus, ausgestattet mit der einzigen Aussichtsplattform der Stadt und einer Rolltreppe, die sogar als Europas erste gilt. Die zweieinhalb Meter messenden „Bamberger“-Buchstaben sind jetzt wieder am Turm montiert. „Wir haben uns den historischen Namen nicht abkaufen lassen“, sagt Hübotter – eine Brauerei habe jährlich 100.000 Euro für den werbewirksamen Platz geboten.

Um auch differenzierter an Julius Bamberger zu erinnern, arbeiten die Kulturwissenschaftlerinnen Caroline Schemmel und Ulrike Osten derzeit an einer Dauerausstellung. Dass dafür nur das Treppenhaus zur Verfügung steht, sehen die Macherinnen positiv: Ein solcher Ort, zumal ein „Fluchttreppenhaus“, sei per se „Metapher für Auf- und Abstieg“. Immerhin stehen acht Geschosse zur Verfügung, die Publikumsnähe ist gesichert. Schemmel und Osten suchen jetzt sowohl nach Zeitzeugen als auch finanzieller Beteiligung für ihr Vorhaben. Träger des Projekts ist die „Kulturwerkstatt Westend“.

Das „Bambüddel“ war seinerzeit, unter anderem wegen der Großzügigkeit seines Besitzers, sehr beliebt. Noch bevor 1935 in Bremen die gedruckte Adressliste „... auch Dich geht es an“ mit den Anschriften sämtlicher jüdischer Geschäfte erschien, war Bamberger deswegen Zielscheibe des NS-Terrors. Er floh mit seiner Familie 1937 zunächst nach Frankreich.

Als Sechzigjährigem gelang ihm dort die Flucht aus der Internierungshaft, er schaffte es anschließend sogar, seine Tochter aus dem Lager Gurs zu befreien und über Marseille in die USA zu fliehen. Dort kam er ökonomisch allerdings nicht mehr auf die Beine. Es ist bemerkenswert, dass er als völlig verarmter Emigrant noch Verse verfasste wie „Vom Bruder trag ich das Hemde, vom Schwager das Paletot. Den Anzug schenkten mir Freunde, wie fühl ich mich frisch und froh“. Auch solche Gedichte sollen ausgestellt werden.

Eine andere historische Dimension harrt allerdings noch der Aufbarbeitung: Die völkischen Wurzeln der Bremer Volkshochschule. Im Gegensatz zu anderen großstädtischen Gründungen war die Bremer VHS bei ihrer Errichtung 1919 offen rassistisch geprägt. Hierfür maßgeblich verantwortlich war Gründungsdirektor Richard von Hoff, 1930 frühes NSDAP-Mitglied und ab 1933 Bildungssenator. Schon während der Weimarer Republik definierte er die Aufgabe der VHS als „Abwehr jüdisch-marxistischer Zersetzungsbestrebungen“.