Reaktoren im Nebel

Im Sommer soll die weltweit erste Vernebelungsanlage von Atomkraftwerken in Grohnde in Betrieb gehen. Sie soll Meiler vor Terrorpiloten schützen. Grüne und Greenpeace kritisieren Schwächen

VON KAI SCHÖNEBERG

Ein Atomkraftwerk kann sich nicht bewegen. Weil das als quasi bombensicher gilt, grübeln Experten seit dem 11. September 2001 über einen Schutz für Meiler vor Terrorangriffen. An der französischen Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague sind Raketen installiert, die Deutschen gehen einen eigenen Weg: In diesem Sommer soll die weltweit erste Atomkraftwerk-Vernebelungsanlage am niedersächsischen AKW Grohnde bei Hameln in Betrieb gehen, ein Pilotprojekt für alle anderen Atomkraftwerke in Deutschland.

Binnen 40 Sekunden nach dem Auslösen eines Alarms soll der Meiler im Nebel verschwunden und damit unsichtbar sein. Außerdem werden Störsender installiert, die das Ortungssystem GPS ausschalten sollen. Grüne und Greenpeace halten das Konzept für zumindest nebulös.

„Wir stellen fest: Es gibt keinen Schutz für Atomkraftwerke in Niedersachsen“, sagte der grüne Atomexperte Andreas Meihsies am Freitag in Hannover. Deshalb fordert er in einer Erklärung mit Grünen aus anderen Bundesländern die sofortige Stillegung von AKWs, die nur gegen Absturz von Sportflugzeugen oder Starfightern gesichert sind – wie Unterweser nördlich von Bremen. Beim Besuch in Grohnde hat Meihsies herausgefunden, dass die Störsender nicht arbeiten und die Nebelwerfer am AKW noch nicht einmal getestet worden sind.

„Ungewöhnlich“ findet das Thomas Breuer von Greenpeace. Er zweifelt, ob genug Zeit vorhanden ist, um Alarm auszulösen. Die nächsten Abfangjäger, die eine gekaperte Maschine vor einem kontrollierten Absturz abdrängen könnten – einen Abschuss hat das Bundesverfassungsgericht verboten – sind 180 Kilometer entfernt stationiert. Sie benötigen 15 Minuten, um das AKW zu erreichen.

Zu lange, meint Breuer, da erst beim unbefugten Eindringen der Maschine in einen Radius von 20 Kilometern um das AKW Terrorgefahr vermutet wird. Auch, dass die Störsender alle Flughäfen im Umkreis lahmlegen dürften, kritisiert Breuer. Extremisten würden das Konzept einfach umgehen. „Sie werden Blindflüge trainieren, Wärmebildkameras benutzen oder einfach die Kühltürme anfliegen“, sagt Thomas Breuer.

Das diese nicht vernebelt werden, bestätigt das für die Genehmigung der Anlagen zuständige Umweltministerium. Allerdings schütze die Nebelwand nicht nur die besonders anfällige Reaktorkuppel, sondern auch den 150 Meter hohen Abluftkamin, betont Sprecherin Jutta Kremer-Heye. Und: „Die Vernebelung ist nur ein kleiner Baustein im Sicherheitssystem für die Meiler.“ Fachleute hielten es nicht nur für „nahezu unmöglich“, dass ein Pilot den besonders sensiblen Punkt an der Kuppelspitze eines vernebelten AKWs in einem speziellen Anflugwinkel träfe. Sie betont auch, dass die Nebelmaschinen bereits auf Truppenübungsplätzen getestet wurden. Das reiche.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Josef Fell sieht das anders. Am kommenden Mittwoch wird im Umweltausschuss sein Antrag zum Thema „getarnte AKWs“ beraten. Fell: „Wir vermissen eine Strategie zum Schutz der Bürger.“