Buchtipp

Faszination Berge

„Reiß dich zusammen. Du bist nicht in Vietnam, du bist in den Alpen und nur ein Typ, der in die Berge kam, um Angst zu bekommen, und das ist dir auch gelungen.“ Derart schimpft der schottische Autor Robert Macfarlane nach einem Steinschlag mit sich selbst. Kurz nach dem Poltern hörte er einen Helikopter und assoziierte seine Panik mit dem Vietnamfilm „Full Metal Jacket“. Macfarlane kommt schließlich zu der Erkenntnis, ein Risiko auf sich zu nehmen, sei mit dieser Belohnung verbunden: mit einer anhaltenden Erregung, die ein Gefühl des Lebendigseins auslöst. „Hoffnung, Angst, Hoffnung, Angst – das ist der Rhythmus des Bergsteigens.“ Solch abenteuerliche Szenen wechseln sich ab mit Exkursen in die Geschichte der Berge – sei es geografisch, historisch oder in der Kunst. Den Erkenntnisgewinn hat dabei durchaus der Leser, denn der Schotte belässt es nicht beim reinen Beschreiben. Diese Mischung macht „Berge im Kopf“ zu einem der klügsten Bergbücher der letzten Jahre.

Steilheit, Einsamkeit, Gefährlichkeit – das ist die immer wiederkehrende Attraktion der Berge. Was Macfarlane auszeichnet, ist nicht nur seine immense Belesenheit, er ist erst 31 Jahre alt, sondern seine anschauliche Sprache. So beschreibt er den Beginn der Welt, und somit der Berge, als Zeiten, in denen Granit herumschwappt wie Haferschleim, Basalt wie Eintopf köchelt und Kalksteinschichten so leicht zusammengefaltet werden wie Wolldecken. Macfarlane nahm schon als 22-Jähriger an Expeditionen in zentralasiatische Gebirgsregionen teil, änderte jedoch seine Einstellung zum Bergsteigen grundlegend. Denn wie er heute, im Gegensatz zu seinen Schwärmereien als Jugendlicher, weiß, ist mit dem Tod in den Bergen nichts Edles verbunden, „sondern in Wirklichkeit eine fürchterliche Verschwendung“. Er habe weitgehend aufgehört, Risiken einzugehen, er mache nicht einmal mehr Touren, für die man ein Seil benötigt.

BARBARA SCHAEFER

„Berge im Kopf. Die Geschichte einer Faszination“ von Robert Macfarlane. Übersetzt von Gaby Funk. AS Verlag, Zürich 2005. 320 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 19,90 Euro. ISBN 3-909111-15-7.