LESERINNENBRIEFE
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Unannehmbares Angebot

■ betr.: „Zeit, dass sich die Bahn bewegt“, taz vom 10. 11. 14

Was sind denn schon 100 Millionen? Die Bahn genehmigte sich vor nicht langer Zeit weitere 2 Milliarden für Stuttgart 21, was sie sich nur deshalb leisten kann, weil sie weiß, dass der Staat die Steuermilliarden dafür schon hergeben wird, Rückbau der Verkehrsinfrastruktur und Unwirtschaftlichkeit hin oder her.

So erklärte Projektsprecher Wolfgang Dietrich am 20. 6. 2013 in der Südwestpresse: „Wir bauen so oder so und versuchen nachträglich, das Geld zurückzuholen.“ Wahrscheinlich bietet die Bahn der GDL deshalb immer dasselbe unannehmbare Angebot an, weil sie darauf hofft, eine Einigung, die nicht 100 Prozent ihren Vorgaben entspricht, so lange hinauszögern zu können, bis das Streikgesetz so angepasst wird, dass sie es gar nicht mehr nötig hat, auf die Forderungen einzugehen. Bis dahin nimmt sie locker noch weitere Millionen Schaden in Kauf. MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Westlicher „Triumphalismus“

■ betr.: „Der DDR-Versteher“, taz vom 3. 11. 14

Ich bin Jahrgang 1952, Tochter eines Bergmanns, in der DDR geboren und aufgewachsen, habe nach dem Abitur Lehre und Hochschulstudium absolviert, eine Familie gegründet, stets ganztags gearbeitet und dabei drei prächtige Kinder großgezogen. Dank Krippen, Kindergärten, Schulhorts war das machbar. Ich will damit kein Hohelied anstimmen, denn ich stieß mich, wie viele andere, an sichtbarer Misswirtschaft, politischer Misere, an ideologischem Diktat und Gesinnungsschnüffelei samt aller bösen Folgen. Hätte ich jenseits der Grenze gelebt, würde ich über diesen Staat womöglich anders geurteilt haben, vielleicht so wie die Altbundesbürger, die mir nach dem Mauerfall souverän erklärten, wie furchtbar die DDR gewesen ist, ohne sie je betreten zu haben.

Jemandem wie Lothar Peter bin ich leider nicht begegnet. Er hätte meinen früheren Idealismus verstanden, dass man kritisch hingucken und ändern muss, was verkehrt läuft, denn selbst wenn die sozialistische Realität davon weit entfernt war: Es gab das Ideal von der menschenwürdigen Gesellschaft. Sein Platz im Denken ist verwaist. Aus der Gegenwart Zukunftsoptimismus zu entwickeln, sofern es nicht um schonungslose Gewinnmaximierung geht, will mir schlichtweg nicht gelingen.

Die DDR war gewiss kein Ruhmesblatt, ihr Ende verhalf zur Einsicht, dass Ideale wohl immer zu bleiben pflegen, was sie sind. Menschen jedoch abzuwerten, die an eine Verwirklichung glaubten, entspricht genau dem westlichen „Triumphalismus“, der auch mich anwidert. Das ist klein und arm, aber en vogue. JUTTA KRAUSS, Eisenach

Vergleich scheint geboten

■ betr.: „Kein aber.“, taz vom 4. 11. 14

„Kein aber“ sagt Martin Kaul und prangert diejenigen an, die „größtes Verständnis für die Situation der afrikanischen Flüchtlinge“ haben, die dann jedoch ein „aber“ folgen lassen, womit angeblich eine „Leerstelle“ oder ein „Tabu des Gedenkens“ markiert wird. Ich finde diese Kritik richtig; mir scheint aber, dass der Autor selbst am Schluss seines Kommentars ebenfalls ein „aber“ folgen lässt, das nur etwas geschickter verpackt ist. Er schreibt: „Es wäre zynisch, die Mauertoten, die an der innerdeutschen Grenze […] ermordet wurden, mit jenen Menschen zu vergleichen, die an der Außengrenze Europas auf ein Leben in Würde hoffen.“

„Es wäre zynisch“ heißt ja wohl: „Es darf nicht sein.“ Aber die eigentliche Frage ist doch, ob die Menschen, die auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrinken, mit den „Mauertoten“ verglichen werden dürfen, und um die Beantwortung dieser Frage drückt sich der Autor. Ein solcher Vergleich (ein Vergleich, keine Gleichsetzung) erscheint mir aber nicht nur statthaft, sondern sogar dringend geboten.

Vor dem Fall der Mauer kursierte im „freien Westen“ der Slogan „Für Freizügigkeit von Menschen und Meinungen!“ Freizügigkeit von Meinungen wird jetzt anscheinend durch Twitter gewährleistet, und von Freizügigkeit von Menschen wollen wir Europäer heutzutage offenbar lieber nichts mehr wissen! WINFRIED SCHUMACHER, Köln

Fremdenfeindliches Reservat

■ betr.: „150 Asylbewerber leben in einem Viersternehotel am Stausee Bautzen. Angst drinnen. Angst draußen“, taz vom 7. 11. 14

Diesen Deppen sollte mal jemand erklären, dass eine Region, die von solchen empathisch unterbelichteten Angsthasen bewohnt wird, keine Flüchtlinge braucht, um ein Problem zu bekommen. Wenn sich herumspricht, dass der Kreis Bautzen ein fremdenfeindliches Reservat emotional minderbegabter Nazis ist, werden sowohl Touristen, als auch Investoren eine solche Zusammenrottung psychischen Elends weiträumig umfahren. MICHAEL PREIS, Duisburg

Wer gibt denen Geld?

■ betr.: „Die Neonazi-Hool-Connection“, taz vom 10. 11. 14

Wer, zum Teufel, gibt denen Geld? Sie erstellen Druckschriften, produzieren Fahnen, chartern Busse, mieten Räume für Versammlungen – und immer wieder werden illegale Waffen entdeckt, sicher nur die Spitze des Eisbergs. Alles ehrenamtlich und aus Spenden der Mitläufer? Nach der Lektüre des großartigen Buchs „Wir sind die Guten“ von Mathias Bröckers und Paul Schreyer kommen einem zur Frage nach den Finanzquellen ganz schlimme Gedanken.

Name und Anschrift sind der Red. bekannt.