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Prinzip Patronage

■ betr.: WM-taz allgemein

Im Kontext der gegenwärtig ausgetragenen Fußballweltmeisterschaft der Frauen setzt sich unbemerkt und dadurch strukturrelevant ein ganz neuer Typus des „Frauenfußball-Anerkenners“ in Szene. Zunehmend nistet sich in der Öffentlichkeit ein Habitus des „Befürwortens“ ein, der in einer nahezu grotesken Art und Weise anmaßend daherkommt. Dieses „Befürworten“ entspricht offensichtlich dem Prinzip der „Patronage“, unterstellt quasi, dass der Frauenfußball ohne ein solches „Befürworten“ nicht lebensfähig wäre. […] Der Moderator unterstellt den Frauen und dem Zuschauer unbemerkt Mangel an Ernsthaftigkeit und beweist dies, indem er sich bewusst auf das ihm bereits bekannte Gegenteil verlässt. Die Expertin ist offensichtlich gar nicht eingeweiht und wird somit öffentlich für ihre der Partizipationsverpflichtung geschuldeten Erläuterung latent als überflüssig denunziert und somit quasi zu einem „Bauernopfer“ männlicher Selbstinszenierung. Die Komoderatorin wird zwar als Expertin vorgestellt, partizipiert gezwungenermaßen aber nicht als solche, sondern als Lebenspraxis-Expertin der Erwachsenenwelt. Sie hat den Kindern und den ganz Dummen (personifiziert durch den Moderator) voraus, dass sie in ein Wissen um gänzlich bildungs- und geschlechtsunabhängige Lebenspraxis eingeweiht ist. Dieses exklusive Wissen besteht darin, dass es ratsam ist, vor der Bewältigung einer Anforderung diese erst einmal zu betrachten, um eine Strategie der Bewältigung zu entwerfen. Eine ernsthafte Legitimation als Fußballexpertin könnte ja auch nur erfolgen, wenn der Moderator selbst über ein wenigstens durchschnittliches Maß an Fachwissen verfügte. Der Moderator müsste dann gegen einen fachlich kompetenten und nur so auch diskussionsfähigen ausgetauscht werden oder die Taktik der Denunzierung aufgeben. Um dem Vorwurf der Denunzierung entgegenzuwirken, müsste nun kontrastiv unterstellt werden, dass die Frage tatsächlich nur von der Expertin beantwortet werden kann. Es würde sich dann also um eine Aufforderung an diese handeln, einmal „aus dem Nähkästchen zu plaudern“. Hier tritt jetzt das bewusst gesteuerte Entgegenwirken einer angeblich angestrebten Gleichstellung des Frauenfußballs zutage. Der Frauenfußball funktioniert also nach anderen Regeln, deren Rahmung erst einmal vermittelt werden muss. Was bei den Männern keinerlei Erwähnung bedarf, muss bei den Frauen erst einmal erklärt werden. […] Der Frauenfußball stellt wohl eine gänzlich andere Sportart dar, deren Regeln der Öffentlichkeit erst qua Expertin vermittelt werden müssen. […] Denkbar wäre eine Debatte über einen auf Rasenflächen dieser Welt universal abgestimmten Nagellack. THOMAS GEHRSITZ, WIESBADEN