Entwicklungshilfe aus Pakistan

Der Harvestehuder THC verpasst zwar die Endrunde der Deutschen Hockeymeisterschaft, ist aber dem Abstieg entronnen. Dank zweier pakistanischer Volkshelden gelang eine furiose Aufholjagd

Die Hockey-Herren des Clubs an der Alster sind als bestes der vier Hamburger Teams bereits für die Endrunde der Deutschen Meisterschaft qualifiziert. Um dem Club zu folgen, muss der Tabellenvierte Uhlenhorster HC zwei Spieltage vor Saisonende den Verfolger Neuss weiter auf Distanz halten. Während der Harvestehuder THC im gesicherten Mittelfeld ungefährdet und unambitioniert dem Ende der Saison entgegensieht, steht der Vorletzte Großflottbeker THGC bereits als Absteiger fest. Damit endet eine schwarze Saison für Großflottbek, dessen britischer Spielertrainer Russel Garcia gegen Mühlheim von einem Ball am Kopf getroffen wurde und mit vierzehn Stichen genäht werden musste. NE

VON CHRISTOPH NEETHEN

„So etwas habe ich noch nie erlebt“, raunt einer der 350 Kiebitze beim Feldhockey-Bundesligaspiel zwischen dem Harvestehuder THC und dem Gladbacher HTC. Klitschnass steht der Mann da, sein feiner Harvestehuder Zwirn arg ramponiert.

Ein sintflutartiger Regenschauer sorgte am Samstag beim Stand von 1 : 1 für einen zwischenzeitlichen Abbruch der Partie. Nachdem Helfer den Kunstrasen mit Schneeschaufeln wieder trocken schippten, wurde erst eine Stunde später wieder angepfiffen. Die Hamburger kamen indisponiert aus der Kabine, knüpften nicht an ihren starken Auftritt an und fingen kurz vor Schluss das spielentscheidende 1 : 2. Aus der Traum von den Play-Offs. Ohnehin hatte vor einem Monat niemand an diese Chance geglaubt. Da war der fünfmalige Deutsche Hockeymeister HTHC Tabellenvorletzter. Und ein heißer Abstiegskandidat.

Den Startschuss zu diesem beeindruckenden Zwischenspurt hatte vor einem Monat ein spektakulärer Transfer gegeben. Der HTHC sicherte sich damals kurzfristig die Dienste der pakistanischen Nationalspieler Muhammad Sarwar und Muhammad Saqlain. Und die beiden Hockeycracks schlugen ein wie ein Blitz. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn beide früher zur Mannschaft gestoßen wären. „In Islamabad hat man uns zuerst Besuchsvisa ausgestellt, aber keine Arbeitserlaubnis“, sagt Saqlain. Nach vielen vermittelnden Gesprächen zwischen HTHC-Präsident Christian Blunck und den pakistanischen Behörden kamen sie mit zweiwöchiger Verspätung in Hamburg an. Die beiden kennen sich aus Hamburg, spielten 2004 und 2005 bereits für den HTHC. Der Kontakt blieb auch nach der zwischenzeitlichen Rückkehr nach Pakistan bestehen. Sturmroutinier Sarwar sagt: „Zwischen uns und dem Verein besteht eine Freundschaft. Wenn wir etwas für den HTHC tun können, sind wir dabei!“

Saqlain und Sarwar haben zusammen über 500 Länderspiele für die Auswahl Pakistans auf dem Buckel. Beide trugen bereits die Kapitänsbinde ihrer Nationalmannschaft, der „Greenshirts“, wie sie aufgrund ihrer grünen Trikots genannt wird. In Pakistan ist Hockey Volkssport Nummer eins. „Was Brasilien für den Fußball ist, ist Pakistan für das Hockey. Dort gibt es die meisten reinen Hockeystadien der Welt. Unser Nationalteam spielt dort oft vor bis zu 90.000 Zuschauern“, erzählt Saqlain stolz. Dennoch gibt es dort keine Klubmeisterschaft. Noch nicht. Saqlain: „Der Verband ist nicht gut organisiert. 2008 wird aber erstmals eine nationale Meisterschaft ausgespielt. Da geht es auch um sehr viel Geld. Die Fernsehrechte werden hoch gehandelt. Und da man in Pakistan ergebnisorientierter spielt, werden Stürmer dann auch nach Toren bezahlt.“

Saqlain gilt in der Szene als bunter Vogel – und etwas schwieriger Charakter. Australische Zeitungen kürten den smarten Sonnenbrillenträger schon zum „Bad Boy des Welt-Hockeys“. Nach handfesten Auseinandersetzungen mit Teamkollegen, wurde Saqlain für die Olympischen Spiele 2000 und 2004 verbandsintern zum Zuschauen verurteilt. Während der ‚Commonwealth Games‘ 2005 nahm sein Australischer Gegenspieler einen gebrochenen Kiefer als Andenken an einen Zweikampf mit ins Krankenhaus. Der Beschuldigte wehrt sich gegen dieses Image: „Insbesondere die australischen Medien hatten es damals auf mich abgesehen. Sie forderten eine unverhältnismäßig lange Sperre“, sagt er. Außerdem änderten sich die Regeln beim Feldhockey mittlerweile alle vier Monate. Heute wüssten die Spieler oft nicht mehr, wie hoch sie den Schläger halten dürfen. Schließlich fügt er fast trotzig an: „Figo und Beckham bekommen doch auch mal eine rote Karte …“

Auch wenn das Zuschauerinteresse in Hamburg keine pakistanischen Dimensionen annimmt, fühlen sich Saqlain und Sarwar im schnieken Harvestehude sichtlich wohl. Auf dem Vereinsgelände tuschelt man hinter ihnen her, sie schreiben kleinen Kindern Autogramme auf die Krummstöcke und genießen die abgeschottene Noblesse des Vereinsumfelds. Saqlain und Sarwar gehören mit der Erfahrung von 29 und 32 Lebensjahren zu den alten Hasen im Team. „Unser Kapitän Tobias Hauke ist zwar erst 19 Jahre alt, wir sehen uns aber noch nicht als Hockey-Senioren“, sagt Sarwar. Sechs Siege aus den letzten acht Spielen sprechen für sich.

Trotzdem reichte es am Ende nicht mehr für die Finalrunde der Deutschen Meisterschaft. An Saqlain und Sarwar hat es nicht gelegen. Eher hat Petrus dem HTHC am Samstag die Tour vermasselt. „In Pakistan spielt man auch im Herbst und im Winter unter freiem Himmel. Wir kennen dort gar kein Hallenhockey“, sagt Sarwar. Regen hätte sie dort nicht gestoppt.