Grobe Verallgemeinerungen

betr.: „Kopftuch auf dem Campus“, taz vom 8. 6. 07

Marcia Pally hat in ihrem Beitrag aus New York großes Gewicht auf „gesellschaftliche Teilhabe“ bei Debatten über Immigration und Zusammenleben gelegt. Deshalb ist es bedauerlich, dass Pally sich auf grobe Verallgemeinerungen verlassen hat. Die Leser sollen erstens annehmen, dass diese vom Pew Forum gesammelten Statistiken die Maßregeln des guten multikulturellen Zusammenlebens seien. Zweitens sollen wir fraglos davon ausgehen, dass europäische Muslime selbstverständlich schlecht im Vergleich mit ihren US-amerikanischen Glaubensgenossen standhalten würden, hätte das Pew Forum dieselben Fragen an sie gerichtet. Was mich aber besonders an Pallys Essay stört, ist ihre unkritische, naive Darstellung der Geschichte der Immigration in den USA. Würde sie diese Geschichte lesen, würde sie eine entdecken, in der Rassismus, Hass, gesetzliche Diskriminierung und „Selbstjustiz“ eine prominente Rolle fanden. Ich möchte damit nicht sagen, dass die Geschichte der US-amerikanischen Immigration eine Gräuelgeschichte gewesen sei. Aber viel komplizierter als Pallys überoptimistische Darstellung ist diese Geschichte doch. Man erweist dieser Debatte über Immigration und kosmopolitisches Zusammenleben einen schlechten Dienst, wenn man vergisst, dass die Geschichte sowie die Gegenwart voller Nuancen sind. CH. GEISSLER, Cambridge, Großbritannien