Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Früher hatte die Coverband SPD wenigstens noch einen interessanten Sänger, heute ist sie nur noch ratlos und lässt sich von der Union vorführen wie einst die FDP. Dafür bietet die „Frankfurter Rundschau“ durchaus auch Erfreuliches

Der heikle Tabubruch besteht darin, das wohlbewährte Dogma zu zerstören: Der Staat mische sich nicht in die Tarifpolitik ein

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Mit der Zentralen Prüfung Ende der zehnten Klasse hat unsere weise nordrhein-westfälische Landesregierung Anfang Mai ein Datum gesetzt, jenseits dessen kein Schüler, kein Lehrer sich mehr so richtig die Finger bricht; inhaltlich ist das Schuljahr dann gelaufen.

Was wird besser in dieser?

Es heißt jetzt auch offiziell: Ferien.

Stimmt es, dass Oskar Lafontaine in der Linkspartei den Ton angibt?

Zu meiner aufrichtigen Freude kann ich nicht authentisch aus den Tiefen dieser Partei berichten. Mein Argwohn aber heißt Raider wird Twix, Opel wird Daewoo und SED wird PDS durch Oskarverleihung trotzdem nichts, was ich essen oder fahren möchte. Gibt es Wetten auf die nächste, vierte Umbenennung? Wanderpokarl Marx?

Heute streitet sich die Regierung in der Koalitionsrunde um den Mindestlohn. Eigentlich ein Erfolg der Linkspartei, die das Thema auf die Tagesordnung gesetzt hat – oder?

Und vor allem ein Misserfolg der SPD, die nun mit Merkel gegen ihre eigenen Ideen stimmt. Ähnlich ist in den 90ern mal die FDP vorgeführt worden, als sie mit Kohl gegen ihr eigenes, modernes Staatsbürgerrecht stimmte um des bloßen Machterhalts willen. Damals führte die oppositionelle SPD die anderen vor.

Müntefering setzt auf eine Ausweitung des Entsendegesetzes. Also kein verbindlicher Mindestlohn, sondern nur Mindestlöhne in einzelnen Branchen. Reicht das?

Nein, das ist schon zu viel. Der heikle Tabubruch besteht darin, das wohlbewährte Dogma zu zerstören: der Staat mische sich nicht in die Tarifpolitik ein. Kann man, auch aus besten Herzensgründen, den Tarifpartnern Untergrenzen vorschreiben, höre ich die Uhr ticken, wann der nächste staatlich vorgegebene Obergrenzen verlangt.

Aus diesem Grund irrlichtert mir Münteferings Haltung ein bisschen so, als sei er durch Koalitionsdisziplin zu einer kompromisslerischen Haltung gezwungen, die er später mal als Gralshütung erste Güte verkaufen kann.

Ist Kurt Beck wirklich so doof, wie viele Medien ihn derzeit machen?

Die Heimvorteile EU-Ratspräsidentschaft und G-8-Gastgeber waren so absehbar, wie sie die SPD ratlos hingenommen hat. Dass es zwischendurch auch mal fünf Minuten und von vornherein chancenlos um die Begrenzung von Hedgefonds ging, kann nicht ernstlich als Gegenstrategie verbrämt werden. Hätte die SPD einen noch tolleren Romeo als sowieso schon Beck vorn, hätte der also den selben Mangel an Inhalt zu verkaufen. Was hülfe das? Die Schröder-SPD war schon ’ne Coverband mit wenigstens interessantem Sänger. Nun ist sie eine ohne.

Angela Merkel redet am Mittwoch beim Medienforum NRW. Wie ist die medienpolitische Bilanz der Großen Koalition bislang?

Geringere Hoffnung als mit der Personalie Bernd Neumann konnte Merkel des Szene nicht machen. Und, wieder mal – da bleibt dann nur die angenehme Überraschung. Im aktuelle Geschäft dürfen die Öffentlich-Rechtlichen etwas mehr als bisher im Internet. Im Grundsätzlichen haben Müntemerkel die alten Gelüste Biedenkopf-Stoibers, eins von zwei öffentlich-rechtlichen Systemen zu zerstören, bisher nicht aufgegriffen. Dabei könnte man das über die europäische Bande spielen. Inzwischen weiß aber auch der letzte Enkel Schwarz-Schillings, dass gerade konservative Politiker ab und an ins öffentlich-rechtliche Dritte dürfen, und das war’s.

Haben Sie sich schon an das neue Format der Frankfurter Rundschau gewöhnt?

Bedaure noch stets, dass die ehedem donnernd dominante Meinungsseite Nr. 3 nun eher 12 bis 13 heißt und nach „Berliner Zeitung hatte noch Layout-Ideen übrig“ aussieht. Aber, ja, das neue FR-Format ist handlich und wirft die Frage auf: Soll ich mir die FR an- oder das viele Business-Fliegen wieder abgewöhnen ?

Am Donnerstag leitet Merkel den EU-Gipfel, auf dem über die Verfassung gestritten wird. Kann Merkel den Verfassungsprozess wiederbeleben?

Sieht so aus, als schaffte sie es, in dem sie ihn zerstört. Ein „Vertrag“, der nicht, wie bisher eine „Verfassung“ erneut durch Volksabstimmungen legitimiert werden müsste, wäre erreichbar.

FRAGEN: SR