Iran-Strategie spaltet die US-Regierung

Außenministerin Rice tendiert Presseberichten zufolge im Streit um das Atomprogramm eher zur Diplomatie, während Hardliner um Vizepräsident Cheney an der Option eines militärischen Angriffs festhalten wollen

WASHINGTON taz ■ Die eskalierende Situation im Nahen Osten spiegelt die Verfasstheit der US-Außenpolitik Eins zu Eins wider. Da sind sich Experten in Washington sicher. „Es ist ein Alptraum für die Administration“, sagte Ellen Laipson, Präsidentin des Henry L. Stimson Centers und frühere Vorsitzende des National Intelligence Council der Washington Post vom Sonntag. „Die Situation in der Region verschlimmert sich so rapide, dass die Administration kaum noch mithalten kann. Dass macht Condi Rices letzte Amtsjahr ziemlich perspektivlos.“ Zu der Erkenntnis, dass die Strategie der Truppenaufstockung im Irak, die US-Präsident George Bush im Januar durchgesetzt hatte, ein Misserfolg war, gesellt sich nun ein Streit um die vor einem Jahr angekündigte neue Iranstrategie.

In dem hinter den Kulissen des Weißen Hauses ausgetragenen Streit sollen laut New York Times vom Wochenende Außenministerin Condoleezza Rice und ihre Mitarbeitenden mit den noch übrig gebliebenen Falken in der Administration ringen. Die sind vornehmlich im Büro des Vizepräsidenten Dick Cheney zu finden. Gestritten wird um die Frage, ob die harte Haltung gegenüber dem Iran dazu führen wird, dass sich das Land von seinem Atomprogramm verabschiedet – oder nicht.

Gegenwärtig könne sich wohl eher Rice durchsetzen. Sie ist der Ansicht, dass die USA sich mit der Androhungen von Militärschlägen zurückhalten solle. In den zwölf Monaten, seit dem Rice die neue US-Strategie angekündigt hatte, gemeinsam mit Europa, Russland und China die Suspendierung des iranischen Urananreicherungsprogramms zu erreichen, soll der Iran über 1.000 Zentrifugen installiert haben. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) schätzt, dass bis zum Jahresende rund 8.000 Zentrifugen in Betrieb gegangen sein könnten, wenn der Iran es schaffe, technische Schwierigkeiten zu bewältigen.

Der Streit im Weißen Haus dreht sich laut Berichten um die Frage, ob Präsident Bush Irans Führung davor warnen sollte, dass er die Überschreitung einer gewissen Stückzahl an Zentrifugen nicht dulden werde. Dabei ist die genaue Zahl, die die Toleranzgrenze markieren würde, noch unklar. Eine solche Drohung würde jedoch beinhalten, dass ein Militärschlag immer noch eine Option sei.

Auch bei den anderen eskalierenden Problemen im Nahen Osten stellt sich der Iran für die Bush-Administration zunehmend als Quelle einer Bedrohung dar. So soll Teheran laut Ansicht der USA hinter den Aufständen und Unruhen im Irak, in Afghanistan, im Libanon und in Gaza stecken.

Dennoch soll Condoleezza Rice gemäß Einschätzungen von Mitarbeitenden mehr und mehr zur europäischen Position tendieren. Die besagt, dass Diplomatie die einzig gangbare Alternative im Umgang mit dem Mullah-Regime sei. Rice soll in Gesprächen mit Bush an der weicheren Herangehensweise festgehalten haben, obgleich diese im ersten Jahr keinerlei Erfolge gezeitigt habe, hieß es. Bush hat demgegenüber in öffentlichen Reden stets betont, dass er einen Iran mit einem Nuklearprogramm niemals tolerieren werde. ADRIENNE WOLTERDORF