Der Groove als Fundament

Auf den ersten Blick könnten The/Das und Camera kaum unterschiedlicher sein. Die einen spielen durchgestylten Pop, die anderen frei improvisierte Instrumentals. Die einen benutzen alle verfügbaren elektronischen Spielereien, die anderen bauen auf handgemachte Musik in der Besetzung Gitarre, Keyboard und Schlagzeug. Die einen schielen auf den Dancefloor, die anderen sind bekannt geworden mit illegalen Konzerten in U-Bahnhöfen. Und doch haben The/Das und Camera einen gemeinsamen, verbindenden Nenner: den Groove als Fundament.

The/Das, das Duo aus Fabian Fenk und Anton Feist, die früher schon bei Bodi Bill einen zeitgemäßen Club-Sound zu entwickeln versuchten, legen mit „Freezer“ nach einigen EPs ihr Debütalbum vor. Verstärkt mit Musikern von Bands wie Apparat und Mia. pulsieren die Stücke sinnlich im Herzschlagrhythmus. Der Bass massiert die Eingeweide, butterweich und doch bestimmt setzt das Schlagzeug Grenzen, und komische Klänge weisen einen unbestimmten Weg in den Kosmos. Darüber liegen eingängige Gesangsmelodien wie edles Geschmeide auf schwerem Samt. Tatsächlich: Selten zuvor klang eine Berliner Band so mondän und zugleich minimalistisch, so nachgerade klassisch, aber doch auch modern. Ein Album, bei dem das Sound-Design für sich allein stehen könnte, aber sich dann doch ebenso in den Dienst der Songs stellt wie der solide Groove.

Das alles sind Kategorien, mit denen sich Camera nur am Rande befassen. Natürlich ist die Band längst nicht mehr so häufig im nächtlichen U-Bahnhof Schlesisches Tor anzutreffen, spielt man doch mittlerweile in ganz normalen Clubs. Trotzdem hatte Gitarrist Franz Bargmann das Trio nach dem ersten Album „Radiate!“ verlassen, den Nachfolger „Remember I Was Carbon Dioxide“ haben Keyboarder Timm Brockmann und Schlagzeuger Michael Drummer nun mit wechselnden Gitarristen und weiteren Gastmusikern eingespielt. Das ist durchaus zu hören: Die Tracks sind kompakter, die Momentschöpfungen scheinen nicht mehr ganz so ziellos. Doch das Konzept, ohne vorgegebene Strukturen oder gar Songs einfach drauflos zu spielen, bleibt das alte. Und damit auch die Konsequenz, dass der Groove, meist stoisch mittelschnell, zum Halt gebenden Gerüst wird. Auch die wildeste Improvisation braucht schließlich ein Fundament. THOMAS WINKLER

■ Camera: „Remember I Was Carbon Dioxide“ (Bureau B/Indigo), live bei der „30 Years of Interfilm“-Party am 15. 11. im Bi Nuu

■ The/Das: „Freezer“ (Sinnbus/Rugh Trade), live am 13. 11. im SchwuZ