POLITIK

sichtet die sozialen Bewegungen in der Stadt

JÖRG SUNDERMEIER

Am Freitag wird in der Galerie Olga Benario (Richardstraße 104, 19 Uhr) über den Nationalsozialismus in den Familiengeschichten gesprochen, unter dem etwas schiefen Titel: „Löchriges Reden – Hallendes Schweigen“. Die NS-TäterInnenschaft in familiären, sozialen und anderen gesellschaftlichen Kontexten wird oft verleugnet. Wie vor wenigen Jahren die berühmte Studie „Opa war kein Nazi. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis“ gezeigt hat, ist durch das Beschweigen der Täterschaft der Familienmitglieder eine Atmosphäre entstanden, in der alle gleichermaßen als Opfer gelten: Nazis ebenso wie jene, die von ihnen verfolgt wurden. Auch die Verklärungsfilme im Fernsehen – wie „Unsere Väter, unsere Mütter“ – haben auf subtile Weise für „Verständnis“ für Nazischergen gesorgt: Opa war vielleicht in der SS oder Uroma eine KZ-Aufseherin, aber sie wurden zum Morden und Schinden gezwungen, haben dabei selbstredend noch nicht einmal „was gesehen“ und wussten von nichts, was die Gräueltaten der Deutschen angeht. Wie genau diese Atmosphäre entstanden ist, wird an diesem Abend beschrieben.

Am Samtagmittag wird im Mehringhof (Gneisenaustraße 2a, 13 Uhr) „Kritik an aktuellen Marginalisierungsstrategien“ geübt: Thilo Broschell erklärt, wie Langzeitarbeitslose von den Medien und der Politik stigmatisiert werden und welche Folgen das für ihr Sozialleben hat.

Am gleichen Tag, aber abends, spricht im verdienstvollen Buchladen b_books (Lübbener Straße 14, 21 Uhr) der Politikwissenschaftler Rodrigo Nunes darüber, wie „Collective Action After Networks“ passieren kann, also wie sich – sei es im Arabischen Frühling, sei es in der Türkei – spontan Gruppen zu Demos zusammenschließen können, hinter denen offenkundig keine Organisation steht, die die Proteste koodiniert, und wie es sein kann, dass diese unkoodinierten Proteste einen so enormen Effekt haben. Werden hier neue Lösungen zur Frage der Organisierung entwickelt?

Am Sonntag schließlich spricht der Soziologe Alexander Kondakow im Haus der Demokratie (Greifswalder Straße 4, 18 Uhr) über den „Ausschluss Nicht-Heterosexueller von grundlegenden Bürgerrechten“ in Russland. Und gerade jetzt, da viele Linke aus Trotz und aus einem simplen Schwarzweißdenken heraus unbedingt zu Putin-Versteher_innen werden wollen (weil ihnen das Bekenntnishafte offenkundig ein so dringendes Anliegen ist), sollte man sich diesen Vortrag zu Gemüte führen. Denn die Ukraine ist das eine, Russland aber ist auch noch da, mitsamt seinen untragbaren Verhältnissen im Inland.