Naturschutz geht Bibern ans Fell

Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes sollte eine stärkere Kontrolle von Bauern und Bauherren ermöglichen, damit seltene Tier- und Pflanzenarten besser geschützt werden. Der Entwurf von Umweltminister Gabriel könnte das Gegenteil bewirken

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Der Biber ist streng geschützt – eigentlich. Eine kleine Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz könnte das nun ändern. In dieser Woche wird sich der Bundestag mit einer Neufassung des Regelwerks beschäftigen. Der Entwurf, den Bundesumweltminister Sigmar Gabriel vorgelegt hat, aber ist umstritten. Denn: Nicht nur die Jagd auf Biber soll erleichtert werden. Auch sonst senkt der SPD-Politiker das Öko-Niveau.

So schimpfen die Umweltverbände Nabu und BUND über einen „Rückschritt“. Die naturschutzpolitische Sprecherin der Grünen, Undine Kurth, kritisiert: „Gabriel kuschelt mit dem Eisbären Knut und stört den Artenschutz zugleich.“ Und auch die Hannoveraner Professorin Christina von Haaren, die Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfragen ist, sieht „die Gefahr, dass der Artenschutz geschwächt“ wird.

Dabei war alles ganz anders gedacht. Denn im Januar vergangenen Jahres forderte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, dass Deutschland die Artenschutzstandards anheben müsse: Die Richter urteilten, das Gesetz aus Rot-Grün-Zeiten sei nach europäischem Naturschutzrecht nicht streng genug. Sie gaben der Bundesregierung Zeit, bis September dieses Jahres neue Formulierungen zu finden. Klappt das nicht, drohen Strafen von bis zu 790.000 Euro pro Tag.

Darum ließ Gabriel das Gesetz überarbeiten, allerdings viel stärker als angemahnt. Zumal auch die Länder Änderungswünsche vorbrachten. Der Bund ist nach der Föderalismusreform zwar noch für den Artenschutz zuständig. Der Bundesrat muss einer Novelle aber zustimmen.

So regte der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) zum Beispiel einen neuen Passus an – zum Kampf gegen den Biber. Denn in Bayern leben derzeit 10.000 dieser Nager. Bauern klagen, sie setzten ihr Land unter Wasser, da sie Dämme bauen und Bäche stauen. Biber sitzen auch in Kläranlagen. Schnappaufs Sprecherin Sandra Brandt: „Wir wollen eine generelle Fangerlaubnis für bestimmte Gefährdungen.“

Im Gesetzestext soll deshalb stehen: Der „Eingriff“ in Bestände ist „auch allgemein durch Rechtsverordnung der Landesregierungen“ zulässig. Schon heute können lästige Biber gefangen werden. Nur wird bisher jeder Fall einzeln geprüft: Ein Mitarbeiter aus den Naturschutzbehörden sieht sich die Schäden an und bespricht sich mit Grundstückseigentümern. Bayerns Jagdwunsch ist kein Einzelfall.

In Mecklenburg-Vorpommern wollen zum Beispiel Angler auf Kormorane schießen, die ihnen angeblich die Fische wegfressen. Nabu-Experte Magnus Herrmann fürchtet: „Der Abschuss wird leichtfertig genehmigt.“ Mit anderen Neuregelungen hadert er auch. Zwei Beispiele: Für Bauern soll es leichter werden, Wege und Äcker in europäischen Naturschutzgebieten anzulegen. Und Naturschutzbehörden sollen weniger Zeit für Einsprüche bekommen. Jedes Projekt eines Unternehmens gilt als genehmigt, wenn nach vier Wochen keine Stellungnahme der Experten vorliegt. Die Naturschutzbehörden würden damit ausgebootet, meint die Grüne Kurth – „bisher passiert nichts unter einem Vierteljahr“. Denn die Behörden hätten zu wenig Mitarbeiter.

Gabriels Sprecher Tobias Dünow will von der Kritik nichts wissen. Er hält sie für „falsch“. Doch der SPD-Minister kommt mit seinen Ideen auch bei seinen Parteigenossen nicht gut an: Am letzten Dienstag debattierte der Umweltausschuss im Bundestag den Entwurf. Die Sitzung wurde abgebrochen. Die SPD-Abgeordneten, aber auch die CDU-Kollegen wollten die Fassung nicht durchgehen lassen. Dirk Becker war für die SPD dabei. Er sagt: „Es war unklar, ob die Novelle EU-konform ist.“ Es hänge aber nur „an einer Formulierung“.

Nabu-Experte Herrmann würde sich mehr Änderungen wünschen: „Gabriel riskiert den Verlust weiterer Arten.“ Das sei „ein schlechtes Signal“: Der Minister ist im nächsten Jahr Gastgeber der UN-Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt.