EU vor Machtkampf

Polen bleibt im EU-Verfassungsstreit hart und droht mit Veto. Grass attackiert polnische „Blockadepolitik“

BRATISLAVA rtr/dpa ■ Im Streit über die geplante Verfassung steuert die Europäische Union auf einen offenen Machtkampf zwischen Polen und den übrigen Staaten zu. Drei Tage vor Beginn des entscheidenden Gipfels zur Rettung der wesentlichen Inhalte des neuen EU-Vertrages bekräftigte der polnische Regierungschef Jarosław Kaczyński gestern in Bratislava seine Drohung mit einem Veto, falls es nicht zu Änderungen an der geplanten Stimmgewichtung der EU-Staaten kommt.

Zwar drückte er die Hoffnung auf einen Kompromiss aus, machte aber deutlich, dass die Veto-Drohung steht: „Ich hoffe, wir werden nicht zum letzten Mittel – einem Veto – greifen müssen“, sagte er. Bundeskanzlerin Angela Merkel als EU-Ratsvorsitzende besteht dagegen nach wie vor auf der Stimmgewichtung, wie sie im Verfassungsentwurf vorgesehen ist. Danach sollen Entscheidungen mit Zustimmung von 55 Prozent der Staaten fallen, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung repräsentieren.

Sollte Polen als einziges EU-Land klare Vorgaben an eine EU-Reformkonferenz in der zweiten Jahreshälfte verhindern, stünde die in der Verfassung vorgesehene Erneuerung der Europäischen Union vor ihrem endgültigen Scheitern. Die Verfassung war 2005 in Frankreich und den Niederlanden vom Volk abgelehnt worden.

Der Schriftsteller Günter Grass hat derweil Polens Staatsführung im Streit über die EU-Verfassung eine „Blockadepolitik“ und das Aufwärmen historischer Ressentiments vorgeworfen. Diese „merkwürdigen Zwillinge“ nähmen die Kooperation mit rechtsradikalen Parteien mit antisemitischen Tendenzen in Kauf, sagte er.

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