Der absolute Härtefall

Senat und CDU wollen schwerstbehinderten jungen Mann nach Westafrika abschieben. Sie wissen nur nicht, wohin. Eine Ausbildung aber darf er nicht machen. Obwohl er dann freiwillig gehen würde

„Laut darüber nachdenken, ob man Herrn Dumbuya nicht die Möglichkeit gibt, sich hier ein paar Fertigkeiten anzueignen“

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Bala Dumbuya schämt sich. Er ist schwerstbehindert, Knochen-TBC hat seine Wirbelsäule deformiert, sein Oberkörper ist verunstaltet. Bala Dumbuya möchte nicht fotografiert werden. Und abgeschoben nach Westafrika, in irgendein Land, will er auch nicht. Der 21-Jährige, der nur leichte Tätigkeiten im Sitzen ausüben kann, würde dort keine medizinische Behandlung erhalten können.

„Wahrscheinlich würde er auf der Straße verhungern“, sagt seine Anwältin Antje Ulrich, die zugleich sein Vormund ist. Deshalb will sein Heimatland Mali ihn auch nicht zurückhaben. Aber Hamburg will ihn unbedingt loswerden, zumindest die Ausländerbehörde und die CDU in der Bürgerschaft wollen das.

Heute Abend wird sein Fall im Parlament kurz behandelt werden, als Bericht des Eingabenausschusses mit der Nummer 18/6364. Das Plenum möge beschließen, so steht dort als Votum der CDU-Mehrheit in dem Gremium verzeichnet, dass Bala Dumbuyas Petition „nicht abhilfefähig“ sei. Und dass der Vorschlag von SPD und GAL, ihm ein Jahr lang mit einer Duldung eine Ausbildung zu ermöglichen, von der Union im Eingabenausschuss abgelehnt worden sei.

Er wolle das „nicht kommentieren“, lehnt Ausschussmitglied Jens Grapengeter (CDU) jede Stellungnahme zu den Fall ab. Sitzungen des Gremiums seien „vertraulich“. Gesprächiger ist sein Ausschussvorsitzender Wolfhard Ploog: „Man kann schon laut darüber nachdenken“ sagt der CDU-Abgeordnete, „ob man Herrn Dumbuya nicht die Möglichkeit gibt, sich hier ein paar Fertigkeiten anzueignen. Wir werden ihn ja eh nicht los“, weiß Ploog, der auch Vorsitzender der Härtefallkommission ist. Die könnte als letzte Instanz Gnade vor Recht ergehen lassen, aber das tut sie nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde.

Die jedoch sucht „ein Land, das Herrn Dumbuya aufnehmen will“, bestätigt deren Sprecher Norbert Smekal. Denn Mali hat sich geweigert, Passersatzpapiere für den jungen Mann auszustellen, der dieses westafrikanische Land als seine Heimat angibt. Auch Gambia hat erklärt, dass Bala Dumbuya nicht ihr Staatsbürger sei. Dennoch sei er „ausreisepflichtig“, sagt Smekal, eine Möglichkeit für ein Aufenthaltsrecht sei „nicht ersichtlich“.

Denn Bala Dumbuya ist einmal mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Wegen Handels mit einer kleinen Menge Rauschgift wurde er vor einem Jahr verurteilt – nicht zu einer Gefängnisstrafe, sondern zur Teilnahme an einem sechsmonatigen Resozialisierungskurs bei der Jugendgerichtshilfe Altona. Seitdem, beteuert seine Anwältin Ulrich, „ist er sauber“. Die Ausländerbehörde sieht das anders: „Herr Dumbuya ist ein Drogendealer“, sagt Sprecher Smekal, da gebe es „keinen Ermessenspielraum“.

Anwältin Ulrich bezweifelt das, ebenso wie die Abgeordneten Antje Möller (GAL) und Wilfried Buss (SPD). Bala Dumbuya sollte, finden sie, „sich hier qualifizieren können“, damit er sich in Mali eine Existenz aufbauen könne. Den Hauptschulabschluss hat er in Hamburg gemacht, der vor sieben Jahren als Analphabet hier eintraf. Als blinder Passagier auf einem Schiff, geflohen von den Feldern eines Großgrundbesitzers, auf dem das Waisenkind schuften musste, bis seine Krankheit das unmöglich machte. Eine Ausbildung hatte Bala Dumbuya in Sicht, das ist auch in dem Gerichtsurteil festgehalten, als Uhrentechniker an der Berufsfachschule.

Diese Ausbildung könne er jetzt immer noch machen, wenn die Behörden ihn nur ließen, sagt Ulrich. Ohne Land, das ihn aufnimmt, muss er eh in Hamburg geduldet werden, das bestätigt auch Smekal. Mit einer Qualifikation würde Bala Dumbuya danach freiwillig und mit der Aussicht zurückkehren, sich seinen Lebensunterhalt verdienen zu können, finden Buss und Möller. Eine Ausbildung kommt nicht in Frage, sagt Smekal: „Dealer ist Dealer.“

Bala Dumbuya, so das Fazit von Ploog, „ist schon ein absoluter Härtefall“.