Recht auf Innenstadt

Erstmals fordert die SPD einen bezirklichen Finanzausgleich

VON UWE RADA

Die Prophezeiung erfüllt sich spät, aber sie erfüllt sich. Kurz vor seiner Ermordung durch eine Briefbombe hatte Hanno Klein, seinerseits Investorenbeauftragter des Senats, darüber spekuliert, wie das Berlin der Zukunft aussieht. Die Alteingesessenen in Prenzlauer Berg, sagte Klein 1991 dem Spiegel, müssten in die „Staubsauger von Hellersdorf und Marzahn“ weichen. Schließlich brauche Berlin eine „Gründerzeit von Markanz und Brutalität“.

Neue Ghettos

Das mit der Gründerzeit hat sich nicht erfüllt, doch die Staubsauger gibt es inzwischen, wie die neuesten Zahlen der Arbeitsagentur belegen, die der taz vorliegen. Sie entsprechen weitgehend den Großsiedlungen in Marzahn und Hellersdorf, aber auch in Lichtenberg, Spandau und Reinickendorf.

Was bedeutet das für eine Stadt, die viel länger als andere Metropolen das Leitbild einer „sozial gemischten Stadt“ verteidigt hat? Und wie kann man einer Entmischung begegnen?

Die erste Frage ist weniger schwierig. Je mehr ALG-II-Empfänger die Innenstadt verlassen müssen, desto mehr Ghettos entstehen: Armenghettos am Stadtrand, Reichenghettos in der Innenstadt. Im schlimmsten Fall verlernen die Berliner das Zusammenleben, das doch gerade eine Stadt ausmacht.

Und was tun? Die SPD-Abgeordnete Ülker Radziwill denkt inzwischen über gestaffelte Zuschüsse nach. Die Botschaft lautet: Es gibt auch für Alteingesessene ein Recht auf Innenstadt.

Das ist ebenso mutig, wie der Ausgang der Debatte offen ist. Bislang hat noch nie eine Partei in Berlin einen Finanzausgleich auf Bezirksebene gefordert.