„Pasta ist der Renner“

Beim Hurricane-Festival in Scheeßel werden am Wochenende die großen Stars des Rockgeschäfts auftreten. Sagenumwoben ist dabei natürlich der Backstage-Bereich. Festival-Koch Rolf Diercks weiß nicht nur, wie der aussieht – sondern auch, dass die leichte Küche im harten Geschäft im Kommen ist

ROLF DIERCKS, 56, ist Koch bei der Hamburger Firma Sunny Side Catering und an diesem Wochenende in Scheeßel wieder im Einsatz.

INTERVIEW KLAUS IRLER

taz: Herr Diercks, als Koch der Firma Sunny Side Catering sind Sie seit etlichen Jahren hautnah am Geschehen im Backstage-Bereich des Hurricane-Festivals dabei. Das klingt nach vielen Rock’n’Roll-Anekdoten …

Rolf Diercks: Ja, wir werden jedes Jahr von diversen TV-Stationen angefragt, die gerne im Catering filmen würden. Aber wir lehnen das kategorisch ab. Das ist die Privatsphäre der Künstler, und das soll auch so bleiben. Natürlich könnte ich tausend Anekdoten erzählen. Aber das wäre nicht fair.

Also keine Namen?

Keine Namen. Aber über das Allgemeine können wir sprechen.

Wie hat sich das Rockgeschäft aus Ihrer Perspektive verändert in den letzten zehn Jahren?

Die jungen Musiker treten heute mit wesentlich mehr Disziplin auf. Die Zeiten von Sex, Drugs and Rock’n’Roll sind vorbei. Früher war es nicht ganz so wichtig, was man als Musiker für eine Leistung brachte, Hauptsache, man war da. Heute ist die Erwartungshaltung beim Publikum durch die Medienversorgung samt Videoclips eine ganz andere geworden. Es geht nicht mehr nur ums Hören, sondern auch um die visuelle Umsetzung. Dadurch sind die Kosten in die Höhe gegangen und das wird den Musikern auch klar gemacht. Man sagt ihnen: „Wenn ihr euch vor dem Auftritt heftig besauft, macht ihr das einmal. Beim zweiten Mal seid ihr weg vom Fenster.“

Aber was ist mit den Macken? Gehören die nicht zwangsläufig dazu?

Macken gibt es natürlich immer noch: Eine weltbekannte Musikerin zum Beispiel, die darauf besteht, einen Nightliner für sich alleine zu haben, weil sie nicht mit der Band zusammen fahren mag. Oder es gibt Leute, die sich im Umkleideraum wie die Schweine benehmen. Oder es gibt die Fraktion, die dann so bekifft sind, dass sie die Zeit einfach verpassen. Dann heißt es: „Hallo, ihr müsst schon lange auf der Bühne sein.“ Und sie sagen: „Soon come, soon come. Babylon ist noch nicht so weit.“ Das passiert natürlich auch noch. Aber grundsätzlich ist es wesentlich disziplinierter geworden.

Gibt es noch Groupies?

Ja, natürlich. Aber wie es genau funktioniert, weiß ich nicht. Es gibt einfach Mädels, die an einem bestimmten Eingang stehen und von wem auch immer ausgesucht werden und dann nach hinten dürfen. Aber was da dann passiert: Keine Ahnung.

Was bedeutet die erhöhte Anforderung an Disziplin für die Küche?

Es wird wesentlich mehr Wert auf gesunde Ernährung gelegt. Mittlerweile gibt es mehr leichte Küche, asiatische Küche, indische Küche. Allerdings gibt es auch die Atkins-Fraktion, also Fleisch und nochmal Fleisch – weil die sagen, dass das eine bestimmte Diät ist. Das ist sehr beliebt im Hardrock-Bereich: Da sind die Leute dann sehr muskulös – und nehmen wahrscheinlich noch eine kleine Nahrungsergänzung dazu, damit sie schöne Sixpacks vorweisen können.

Kochen Sie auf Bestellung?

Man kriegt schon Anweisungen von den Bands, was sie bevorzugen. Aber es gibt keine ganz konkreten Wünsche. Es sei denn, dass ein richtiger Superstar kommt: Die bringen dann ihren eigenen Koch mit. Und dann gibt es Abmachungen, dass wir dem Koch die Küche überlassen oder mit ihm zusammenarbeiten.

Wie viele Leute bekochen Sie pro Tag?

Wir machen zwei Caterings, eines für die Crew und eines für die Bands und deren direkten Anhang. Da haben wir am Tag bei den Künstlern so drei- bis vierhundert, und bei der Crew haben wir so sieben- bis achthundert Leute zu bekochen.

Wie groß ist Ihr Team dafür?

Wir sind insgesamt 30 Leute. Im Artist-Catering fünf Köche, im Crew-Catering vier bis fünf, dann kommen Küchenhilfen dazu und Leute, die das Buffet betreuen und für Getränke sorgen und die Einkäufer und Buchhaltung und Leute, die die Dressing-Rooms bestücken.

Wie darf man sich den Backstage-Bereich für das Catering vorstellen?

Wir haben ein Großraum-Veranstaltungszelt mit Holzfußboden. Ungefähr ein Drittel, 100 Quadratmeter, ist reiner Küchenbereich und wird von uns mit PVC ausgelegt. Dort bauen wir unsere Küche auf. Die endet dann mit dem Buffet. Der Rest ist bestuhlt, eingedeckt und dekoriert. Ordentlich ein bisschen Grünzeug rein, dass man eine gute Atmosphäre schafft. Hier eine Palme, da eine Palme. Hier ein bisschen Efeu, da eine Rüsche. Im Speisebereich kommt ein anständiger Teppichboden rein, der auch jeden Tag gereinigt wird. Da wird viel Wert auf ein ansprechendes Ambiente gelegt.

Wie genau sieht das Buffet aus?

Es ist die elfte Ausgabe des Hurricane-Festivals in Folge und sie wird wohl etwas größer ausfallen als im letzten Jahr: 2006 kamen rund 50.000 BesucherInnen nach Scheeßel (Kreis Rotenburg/Wümme), in diesem Jahr sind die Besucherkapazitäten laut Wikipedia auf 60.000 ausgeweitet worden. Von Freitag, 22. 6., bis Sonntag, 24. 6., werden rund 60 Bands beim Hurricane-Festival auftreten. Mit dabei sind Pearl Jam, Beastie Boys, Marilyn Manson, Placebo und die Fantastischen Vier. Tickets gibt es noch an den Tageskassen in Scheeßel für 120 Euro plus fünf Euro Müllpfand. Weitere Infos: www.hurricane.de KLI

Im Artist-Catering geht es mit dem Frühstücksbuffet los, dann gibt es einen nahtlosen Übergang zum Lunch. Ab Mittags haben wir dann auch eine Pasta-Station, wo Pasta à la minute zubereitet wird. Zur Dinner-Time haben wir dann zusätzlich zur Pasta noch eine asiatische Station, wo Asia-Food à la minute im Wok gemacht wird.

Dann gibt es fünf bis sechs Hauptgerichte inklusive Vorspeisen. Die Hauptgerichte richten wir auf dem Teller an und arbeiten immer von hinten nach vorne nach. Dass das immer frisch auf den Tisch kommt. Es ist wie auf dem Schiff: Der Kapitän und der Koch sind zwei sehr wichtige Komponenten, damit ein Schiff und die Mannschaft auf Kurs bleiben.

Wo kriegen Sie die Zutaten her?

Zum einen kaufen wir selber ein, es gibt jemanden der zum nächstgelegenen Großmarkt fährt. Und dann werden wir noch beliefert. Wir haben einen 7,5-Tonner pro Tag mit Material, das so durchgedonnert wird. Allein an Gemüse kommen da ungefähr 1,5 Tonnen pro Tag.

Wie sieht es mit Ihren Rezepten aus: Ein sensibles Thema?

Nein. Gibt schon auch Anfragen von Künstlern, die mich fragen: Mensch Rolfi, wie hast Du die Suppe gemacht? Da bin ich dann ganz freizügig. Ich sehe das so: Das Rezept ist kein Geheimnis, weil letztendlich schmeckt es bei jedem Koch anders. Es schmeckt auch bei mir selber nicht immer 100 Prozent gleich. Ich bin ja keine Maschine. Und du hast Unterschiede in der Ware.

Gibt es ein Rezept speziell für das Festival?

Die Pasta-Station ist immer ein Renner. Die einzelnen Zutaten liegen für den Gast sichtbar parat und dann kann er auswählen und zusehen, wie es gemacht wird. Ansonsten kann man nicht sagen, dass irgendetwas herausragt. Aber mit Pasta al Arrabiata oder Pasta Pesto kannst du nie was verkehrt machen.