The New Cool: Oldschool Immo

Sprechgesang jenseits des Hasses – Flowin Immo präsentiert mit seiner Liveband „Les Freaqz“ Rapmusik wider die bloße Marktorientierung

Vor gut einem Jahr kam man als Berlinbesucher nicht umhin, an haushohen Baugerüsten riesige Werbebanner hängen zu sehen, die das Versprechen auf „grenzenlose Freiheit“ gaben. Zeitgleich war gerade das ebenso betitelte Album des (Exil-)Berliners Flowin Immo erschienen. So las man als Eingeweihter den Werbeträger beim ersten Mal mit einer gewissen Verwunderung und dachte fast: „Wow, jetzt macht Immo aber ernst.“ Doch jene Idee, der sich der Rapper seit Jahren mit Herz und Verstand verschrieben hat, wurde hier lediglich missbraucht, um einen Sportwagen zu bewerben.

Einen Wortkünstler wie Flowin Immo ficht es indes nicht an, wenn Worte umgedeutet, entkernt und ausgehöhlt werden. Was Werber, Pseudomeinungsinhaber und Volksmundschwadronierer tun, könnte er längst – viel lieber deutet er indes Umgedeutetes wieder zurück, biegt mit Freestyle-geschulter Eloquenz so manches gerade. So erklärte er seinerzeit den Titel und Sinn seines Albums folgendermaßen: „Die bürgerlich definierte Welt funktioniert einfach nicht, daher mache ich mich auf die Suche nach einer lebhaften Alternative. (…) ‚Ich‘ ist und bleibt dabei ein Experiment.“

Erfolg war „Grenzenlose Freiheit“ jedoch wenig beschieden. „Plattenbosse“ und die komplette Musikjournaille flashen seit Jahren auf Aggrorapper und schenken allerhöchstens Alt-Etablierten à la Dendemann oder Fanta4 etwas Aufmerksamkeit. Immo, Rapper der zweiten Generation – er war einst neben Ferris MC Mitbegründer der Freak Association Bremen, kurz „F.A.B.“ – hakte den finanziellen Misserfolg ab, wusste er doch immerhin, ein großartiges Werk hinterlassen zu haben. Schließlich besticht „Grenzenlose Freiheit“ – in allerbester Indie-Manier hat Immo alle Beats selbst gebastelt, komponiert und produziert – mit einem breiten Musikentwurf, der Jazz-Knaller, abgehangenen HipHop, Rock- und Countryabsurditäten und R’n’B verbindet, und über den er geistreich mit Hang zum Schneideresk-Humorigen flowt.

Aktivist, der er ist, setzt Immo wieder und nach wie vor auf die „Ochsentour“. Mit seiner formidablen Liveband „Les Freaqz“ zieht er seit geraumer Zeit durch die Lande, rockt ganz wie in alten Zeiten und beweist sich zudem als Workshop-Dozent oder Festival-Host. Nun macht Flowin Immo mit „Les Freaqz“ im Knust Halt. Wer HipHop liebt, wird dort sein und wer die grenzenlose Freiheit des wahren HipHop erfahren möchte, wird einen credibleren Teacher schwerlich finden: „Ich galt stets als bunter Paradiesvogel in dieser Scheuklappen-behafteten Kaste, und winke mit meiner weißen Fahne als Taschentuch. (…) Ich kann nur mich erwecken, das wache Ohr hört den Rapweckruf, an der Taube zwitschert er wohl oder übel vorbei.“ GERD BAUDER

Fr, 22. 6., 21 Uhr, Knust, Neuer Kamp 30