DAS DING, DAS KOMMT
: Ein Camp mit Regeln

Das OCCUPY-ZELT steht in Oldenburg plötzlich da, wo seit Jahren der obdachlose Danny schläft. Und nun?

Zur Documenta 13 wurde die Zeltstadt zum „machtkritischen Kunstwerk“ erklärt

Los ging’s vor drei Jahren, angeregt durch die Proteste in Spanien und den Arabischen Frühling, im Zuccotti-Park im New Yorker Finanzdistrikt an der Wall Street: AktivistInnen besetzten den Platz und bauten Zelte, Küchen und Barrikaden auf, um gegen soziale Ungleichheit, Finanzspekulation und den Einfluss der Wirtschaft auf die Politik zu protestieren. Kurz darauf schossen sie überall wie Pilze aus dem öffentlichen Boden: Von Boston bis Zeulenroda – kein Occupy-Protest ohne das charakteristische Zeltdorf.

In Kassel wurde es zur Documenta 13 sogar zum „machtkritischen Kunstwerk“ erklärt: Vor dem Fridericianum stand eine ganze Zeltstadt, die allerdings eher aussah wie, nun ja, eine weiße Reihenhaussiedlung. 28 akkurat nebeneinander platzierte Zelte aus LKW-Plane, Holz und ein paar Zimmermannsnägeln, darauf in großen Lettern die sieben Todsünden, Pardon, 20 „Grundübel unserer Zeit“: Gier, Hochmut, Neid, Geiz etc. pp.; ein „Riesenerfolg“ sei das Ganze gewesen, erklärte ein Occupy-Sprecher. Und die Documenta-Leitung fand’s – nach anfänglichem Zögern – auch richtig toll.

Da war der so erfolgreich musealisierte Spuk natürlich fast schon wieder vorbei. Geräumt wurden die Zeltdörfer überall mit den gleichen Argumenten: Aus den einst politischen Protestlagern seien Camps „sozialer Randgruppen mit inakzeptablen Begleitumständen“ geworden, formulierte es etwa Frankfurts Ordnungsdezernent Markus Frank. In Hamburg standen die Zelte noch bis Anfang dieses Jahres vor der örtlichen HSH Nordbank. Auch hier waren aus den Aktivisten irgendwann Sozialarbeiter geworden, die sich um immer mehr obdachlose Mitbewohner kümmerten.

Wie diese die Occupy-Bewegung erlebt haben, macht das einstündige Theaterstück „Protest Song“ von Tim Price zum Thema. Danny heißt sein rough sleeper, der morgens auf den Stufen der St. Pauls-Kathedrale in London inmitten einer provisorisch eingerichteten Zeltstadt aufwacht und unfreiwillig Teil des sozialen Occupy-Gefüges wird – bis er von den Protestierenden verstoßen wird, weil er sich nicht an ihre Regeln gehalten hat: Ein bitterböser Monolog über die Widersprüche zwischen Idealismus und Realität – und die Schwierigkeit, sich im Namen anderer zu positionieren. In Oldenburg bringt Felicitas Braun das Stück des walisischen Autors nun erstmals auf Deutsch – die Übersetzung besorgte Michael Raab – auf die Bühne.  MATT

■ Mi, 19. 11., und Sa, 22. 11., jeweils 20 Uhr, Oldenburgisches Staatstheater