Auf Schrippenjagd

ORIGINAL Ein subjektiver Brötchentest zeigt: Gute Bäcker muss man in Berlin suchen

■ Brotgarten, Seelingstr. 30, 14059 Berlin-Charlottenburg, www.brotgarten.de

■ Bäckerei Sieber, Schönfließer Str. 12, 10439 Berlin-Prenzlauer Berg, www.baeckerei-siebert.de

■ Bäckerei Hacker, Stargarder Str. 69/70, 10437 Berlin-Prenzlauer Berg

■ Bäckerei Kädtler, Danziger Straße 135, 10407 Berlin-Prenzlauer Berg, www.kaedtler.de

■ Bäckerei Schubbert, Palisadenstraße 58, 10243 Berlin-Friedrichshain, www.feinbaeckerei-schubbert.de

■ Bäcker Walf, Lankwitzer Str. 2–3, 12209 Berlin-Lichterfelde, www.baecker-walf.de

■ Bäcker Mann, Südwestkorso 9, 12161 Berlin-Friedenau, www.baecker-mann.de

■ Bäckerei Wieslau, Laubacher Str. 14, 14197 Berlin-Friedenau, www.wieslau.de (mp)

VON MICHAEL PÖPPL

Es ist schwierig, in Berlin gute Brötchen zu kaufen, oder, um beim Regionalen zu bleiben, gute Schrippen. Wie wichtig das Thema ist, merkt man, wenn man sich dann im Bekanntenkreis umhört: Einen richtigen Bäcker mit guten Brötchen kennt fast keiner. Die einen kaufen Krusties von Delikatessen Lindner, andere schwärmen von den Baguettes im KaDeWe, eine Kollegin fährt sogar regelmäßig von Kreuzberg nach Charlottenburg, um sich Kürbisbrötchen im Brotgarten zu kaufen. Aber wo kriegt man gute Schrippen? So wie die feinen Semmeln und reschen Rundstücke, die man in Süddeutschland oder in Schleswig-Holstein bei jedem Dorfbäcker bekommt?

Zweifellos: Beim Brot hat Berlin eindeutig aufgeholt. Die Auswahl an Brotlieferanten ist hervorragend, von neuen Spezialisten wie Soluna in Kreuzberg angefangen über die fast schon traditionelle Ufa-Bäckerei in Tempelhof bis hin zu Biobäckereien wie Bäumer & Lutum, Märkisches Landbrot oder Weichhardt, die man auch in vielen Biosupermärkten findet. Alle Ökobäcker haben leckere Vollkornbrötchen, schlichte helle Schrippen aus Weißmehl sind aber nicht ihr Metier.

Dabei kann das doch nicht so schwierig sein: „Schrüppen“ sind in Berlin allgegenwärtig. Doch sie schmecken meist nicht, weder die Discounterbrötchen, die für wenige Cents verkauft werden, noch die Turboschrippen aus den allgegenwärtigen Aufbackketten. Frisch gekauft wirken sie manchmal sogar knackig und duften, wenn man sie aber später aus der Tüte zieht, haben sich die Blenderbrötchen in Styropor verwandelt. Grundlage sind oft aufgebackene Teiglinge, die eingefroren aus Osteuropa, manchmal sogar aus China importiert werden. Schuld daran sind Treibmittel, die den Gärvorgang des Teigs beschleunigen, und künstliche Emulgatoren, die die Teiglinge „aufblasen“.

Die Suche nach „echten Bäckern“ führt mich quer durch die Stadt. 21 Traditionsbetriebe, die noch selbst backen, mit insgesamt rund 70 Filialen sind auf der Website der Berliner Bäckerinnung gelistet, die die „Goldene Brezel“ verleiht. Träger der Auszeichnung ist auch die Bäckerei Siebert in Prenzlauer Berg, 1906 eröffnet und somit älteste Familienbäckerei Berlins.

Lars Siebert, Urgroßneffe des Gründers, backt mit weniger Hefe, damit der Teig nicht zu schnell aufgeht und die Schrippen nicht zu groß werden. Seine sehr gute Ostschrippe ist etwas kompakter als die Westschrippe. Ähnlich wie die des Kollegen Thomas Hacker in der nahe gelegenen Stargader Straße. Die echte Ostschrippe muss nicht knackig, aber fest sein, luftig genug hat sie einen angenehmen Hefegeruch. Der Geschmackstest zeigt: Hacker, der im Kiez wegen der süßen Splitterbrötchen beliebt ist, versteht auch sein Basishandwerk. Nicht allzu weit entfernt befindet sich die Bäckerei Kädtler, seit 1935 wird hier gebacken. Ein Teil seiner Schrippen ist sogar koscher, wie das Berliner Rabbinat zertifiziert. Chef Stefan Kädtler achtet genau auf die Zutaten, nicht nur wegen der strengen religiösen Vorschriften, Kunden kommen auch extra wegen seiner veganen und laktosefreien Brote und Kuchen. Bei Schubbert in Friedrichshain stehen sechs Kunden im kleinen Laden, der damit fast voll ist. Die Schrippe, gleich vor dem Laden probiert, riecht angenehm hefig, ist geschmacklich gut, leider schon etwas trocken, das malzige Roggenbrötchen dagegen schmeckt perfekt, das Splitterbrötchen ist zurückhaltend süß.

Doch nicht nur im Osten gibt es gute Brötchen: Weitere Stadttouren führen unter anderem zur Bäckerei Walf, die in Lichterfelde als heißer Favorit für den Back-Oskar gehandelt wird. Die Westschrippen erweisen sich als schön knusprig, schmecken mir aber etwas zu lasch. Der schwäbische Bäcker Mann in Friedenau ist unter Zugereisten beliebt, hat gute Laugenbrezen und „Allgäuer Seelen“ im Angebot, ein typisch süddeutsches Gebäck aus Dinkelmehl mit Salz und Kümmel. Seine Schrippen sind knackig und durchaus wohlschmeckend. Allerdings längst nicht so perfekt, wie die der gerade mal 500 Meter entfernten Konkurrenz: Die Bäckerei Wieslau an der Ecke zur Laubacher Straße ist zu Recht beliebt. Die duftenden Schrippen sehen nicht nur knusprig braun aus, sie knacken auch noch richtig, sind aber nicht zu weich und schmecken hervorragend. Mein klarer Sieger bei den Westschrippen.

Das Fazit von rund 15 Bäckereibesuchen innerhalb von zwei Wochen: Es gibt sie doch, die gute Schrippe, man muss sie allerdings suchen. Die trockenen Reste der vielen angeknabberten Brötchen werden übrigens nachhaltig verwertet: Am Wochenende gibt es Semmelknödel.