Immer am Ballon bleiben

25 JAHRE MAUERFALL

Der Mann vor dem Martin-Gropius-Bau war nicht zu beneiden. Da hatte er netterweise zugesagt, diese vier Grundschulmädchen vor ihm dürften ihm beim Ballonsteigenlassen helfen. Und nun hielten sie sich eine halbe Stunde lang fest an jener Mischung aus Schraubendreher und Dietrich, der den mit Helium gefüllten Ballon aus seiner Befestigung lösen sollte – der Abschluss der Lichtinstallation längs des früheren Mauerverlaufs am Sonntagabend.

Was machen in solch einer Lage? Zuhören lenkt ab. Also erzählte der Mann, einer von 8.000 „Ballon-Paten“, so dies und das, von der Gedenkaktion, von der Mauer. Das mit dem Erzählen hätten auch die Eltern übernehmen können. Aber die waren ja an den Nachbarballons selbst ins Gespräch gekommen.

Es war Geschichte zum Anfassen, als dieser und offiziell 7.999 weitere Ballons in den Himmel stiegen und so den Fall der Mauer vor 25 Jahren versinnbildlichten. Vielleicht zerrten nicht an jedem Ballonständer gleich vier Kinder und bekamen einen Exkurs in Geschichte. Vielleicht hat der ein oder andere auch übers Wetter geredet, statt sich an 1989 zu erinnern. Und vielleicht war die Stimmung anderswo auch nicht so besonders wie hier. Aber in jedem Fall bleibt genug Gedenken, um all jene zu widerlegen, die die Feierlichkeiten und die Lichtaktion als überflüssig ansahen.

Diese Kinder, die am Sonntag den Ballon freigaben, werden auch in 25 Jahren noch wissen, warum die Mauer Berlin und Deutschland teilte. Das Gedenken an ihren Fall und an die Maueropfer hochzuhalten gehört in eine Reihe mit dem Gedenken an die Opfer von Auschwitz und Buchenwald und die Befreiung von der Nazi-Diktatur. Die DDR-Geschichte und die Maueröffnung als erledigt zu betrachten spielt jenen in die Hände, die aus der Geschichte nicht lernen und deutsche Gräuel vergessen machen wollen. STEFAN ALBERTI