Carstensen will den Schulden-Fonds

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen hat gefordert, den Bundesländern ihre Schulden zu erlassen und sie aus einem Fonds zu begleichen. Eine Entschuldung gebe allen Ländern politischen Handlungsspielraum zurück

Wenn der Pleitegeier kreist, rät jede Beratungsstelle: Alle Einzelschulden sammeln, den ganzen Berg in die Hand einer Bank geben, monatlich abbezahlen – am besten per Dauerauftrag direkt vom Gehalt. So ähnlich könnten das auch die Bundesländer machen, schlägt die Kieler Landesregierung vor: Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und Arbeitsminister Uwe Döring (SPD) haben ein Modell entwickelt, um alle 16 Länder schuldenfrei zu machen.

Kerngedanke: Es wird ein Fonds eingerichtet, in den alle Länder ihre Altschulden schieben – insgesamt 462 Milliarden Euro. Zinsen und Tilgung werden aus den Mehrwertsteuereinnahmen bezahlt. Zurzeit erhalten die Länder vom Mehrwertsteuerkuchen 45 Prozent, der Bund 53 und die Gemeinden zwei Prozent. Das 66 Milliarden Euro schwere Tortenstück der Länder könnte, so die Idee aus Kiel, geteilt werden: Die Länder erhielten dann anfangs nur noch 23 Prozent der Einnahmen, 22 Prozent fließen direkt in den Schuldenfonds. Da der jedoch abgetragen wird und das Mehrwertsteueraufkommen gleichzeitig summarisch steigt, verschiebt sich das Verhältnis allmählich: So würden die Länder im Jahr 2021 nur noch 14 Prozent an den Fonds verlieren. In etwa 30 oder mehr Jahren – das hängt vom Prozentsatz der Tilgung ab – könnten alle Länder gleichzeitig ihre Altschulden los sein. Bis dahin spart die Abbezahlung Zeit in den Verwaltungen, und die roten Zahlen verschwinden optisch aus den Haushalten. Damit keine neuen Schulden entstehen, könnten sich die Länder auf Grenzwerte ähnlich den Maastricht-Kriterien einigen, schlägt die Regierung vor.

Ein Nachteil des Modells ist, dass die Einnahmen schrumpfen. Während die ärmeren das gelassen sehen können, sind die reichen doppelt betroffen: Erstens werfen sie weniger Schulden in den Topf, zweitens erwirtschaften sie mehr Steuern und zahlen entsprechend mehr ein. Aber die „Solidarität der finanzstarken mit den finanzschwächeren Ländern ist seit Bestehen der Bundesrepublik eine wesentliche Grundlage der föderalistischen Staatsordnung“, heißt es in einem Papier der Kieler Koalitionsregierung. Dass der Länderfinanzausgleich bleiben soll, will auch der Regierungschef des reichen Baden-Württemberg, Günther Oettinger (CDU). Er hat als Vorsitzender der Föderalismuskommission II eigene Vorschläge zur Entschuldung gemacht. Ob sich das Kieler Modell durchsetzt, ist fraglich. ESTHER GEISSLINGER