Bars, Blicke

Von der Begegnung zum Sex, zur Beziehung, zur Trennung. Der Regisseur Jan Krüger hat vier seiner Kurzfilme zu dem Programm „Verführung von Engeln“ zusammengestellt

Die vier Kurzfilme von Jan Krüger, die die Edition Salzgeber unter dem Titel „Verführung von Engeln“ ins Kino bringt, variieren die klassischen Themen des schwulen Arthouse-Kinos auf unterschiedliche Art. Mal als Videoclip, Kammerspielstudie oder Ballade geht es um anonyme Begegnungen, adoleszentes Begehren, Machtspiele, Sex, erste Liebe, Beziehungen, Trennungen. Schön dabei ist, dass die Filme nicht nur eine Art Best-of-Compilation des Regisseurs sind, der 2001 in Venedig mit „Freunde“ einen Silbernen Löwen für den besten Kurzfilm gewann, sondern wie die Stücke eines gut zusammengestellten Albums zueinander passen.

Das 2000 an der Kölner Kunsthochschule für Medien im Auftrag von Udo Lindenberg entstandene Musikvideo „Verführung von Engeln“ funktioniert wie ein Intro; es enthält genug Bekanntes, um sofort verstanden zu werden, und genug Neues, um interessant zu sein. In grobkörnigen Schwarzweißaufnahmen, die Genet-Rezeption der 80er-Jahre zitierend, werden die Themen der späteren Filme angedeutet: nächtliche Straßen in Hamburg und Köln, Bars, Blicke, junge Männer, eine Frau in einem Hauseingang. Dazwischen Udo Lindenberg mit seinem Hut, einer Zigarre im Mund, in so einer Seen-it-all-done-it-all-Pose, wie er Brechts scherzhaft mit „Thomas Mann“ signiertes sexualromantisches Gedicht „Verführung von Engeln“ singt.

Der 21-minütige Kurzfilm „Freunde“ erzählt in einer teils quälenden Intensität von der Freundschaft zweier Jungs, die zwischen Kameradschaft und sexuellem Begehren changiert. In trostlosen Industriebrachen, Eigenheimen, am Sportplatz trifft die Verliebtheit des einen auf die düstere, sadistische Lust an Gefahr und Überschreitung des Anderen. Nach dem Sex grinst Krügers Lieblingsschauspieler, der damals 18-jährige Martin Kiefer, rotzlöffelmäßig mit blassem Gesicht wie die Helden von Larry Clark. „Freunde“ endet schockierend, man ist dankbar, dass der folgende Film – „Tango Apasionado“ von 2006 –, distanzierter daherkommt und zwei, drei lustige Sätze enthält.

Am Ende der Zusammenstellung steht der in diesem Jahr entstandene „Hotel Paradijs“. Es geht um einen jungen Mann, der in Amsterdam bei seinem holländischen Liebhaber, einem Fotografen, wohnt, den er verlässt, nachdem er eine Frau kennengelernt hat. Der halbstündige Film ist melancholisch, entspannt und souverän, und es stört auch nicht, dass man Martin Kiefer nicht glaubt, dass er plötzlich eine Frau begehrt.

Schön an der chronolgischen Zusammenstellung der Filme ist, dass man dem schmächtigen Martin Kiefer, der in drei der vier Filme die Hauptrolle spielt, beim Älterwerden zuschauen kann.

DETLEF KUHLBRODT

„Verführung von Engeln“. R.: Jan Krüger. Mit Martin Kiefer, Marlon Kittel u. a., Deutschland 2007, 70 Min.: Hackesche Höfe und Xenon