Kein Doktor, viele Zertifikate

AUS DER TAZ Im Juni fand unsere Autorin ein Plagiat in Chatzimarkakis’ Dissertation. Jetzt ist er den Dr. los

Nur ein paar Wochen ist es her, dass unsere Autorin Nicola Schwarzmaier in Chatzimarkakis’ Doktorarbeit stöberte. Und, gemeinsam mit einem Plagiatsjäger, prompt eine Stelle fand, die nicht ganz sauber zitiert war: Zwar hatte der FDP-Europapolitiker eine Quelle angegeben. Die Anführungszeichen aber fehlten. Nachdem VroniPlag weitere Funde auf gut vierzig Seiten der Dissertation zählte und damit an die Öffentlichkeit ging, erklärte Chatzimarkakis noch auf seiner Homepage, seine Doktorarbeit schaffe „Raum für Spekulationen.“ Jetzt muss er sich von seinem Titel verabschieden.

Am Mittwoch hat der Fakultätsrat der Uni Bonn einstimmig beschlossen, Jorgo Chatzimarkakis die Doktorwürde abzuerkennen. Das Urteil unter anderem: fehlende Anführungszeichen.

Ehrlich, wir könnten die Geschichte jetzt aufblasen. „taz-Autorin stürzt FDP-Politiker“ titeln. Aber wir machen das anders, schauen mal auf unsere eigenen Abschlüsse. Zuerst die dröge Bilanz: Zwei Bachelorabsolventen sitzen in unserer Redaktion, davon einer, der an der Uni Bayreuth studiert hat und schwört, nicht abgeschrieben zu haben. Er schwört das immer wieder.

Vier Magistermenschen. Zwei mit abgebrochenem Studium. Die Diplomurkunde wurde dreimal vergeben, in einem Fall steht sie noch aus. Und Zertifikate! Die hagelt es, gleich sechsmal. Keiner kann sagen, was in seinem Zertifikat steht, aber jeder ist sich sicher, dass er es nach Redakteursausbildungen in die Hände bekommen hat. Irgendwann.

Jetzt das Lesenswerte: Unsere Abschlussarbeitsthemen. „Die FDJ in der Tradition der deutschen Jugendbewegung“. Spannend. Oder, bleiben wir beim Geschichtlichen: „Aktualisierte Erinnerung: Heinrich III. in der Publizistik des Investiturstreits“. Da wird ganz viel ganz klar. Etwa: Je mehr Substantive im Titel, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, später mit Plagiatsvorwürfen rechnen zu müssen. Unser Praktikant, der Verfasser von „Soziale (Re)Integration durch atypische Erwerbsarbeit? Instrumente aktivierender Arbeitsmarktpolitik im Vergleich“ musste sich jedenfalls nie welche anhören.

ANNABELLE SEUBERT

Der Artikel: taz.de/plagiat